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Binding, Tim

Binding, Tim

Titel: Binding, Tim
Autoren: Fischnapping
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Heringe und Bratwurst und diese schauerliche
Schweizer Schokolade. Und ihre Laster sind noch dazu größer als unsere,
länger, schwerer. Die M20 muss schon wieder ausgebessert werden? Deine Fahrt
dauert zwei Stunden länger? Tja, Kumpel, jetzt weißt du, was eine kontinentale
Landmasse ist. Es wäre halb so schlimm, wenn du dich beim Überholen rüberbeugen
und ihnen den Finger zeigen könntest, aber sie können dich gar nicht sehen.
Sie sitzen im Führerhaus auf der falschen Seite. Jedenfalls, ich wartete eine
Sekunde, ließ den Motor im Leerlauf aufheulen, um mich zu vergewissern, dass
die Karre auch wirklich was unter der Haube hatte, dann trat ich das Gaspedal
bis zum Anschlag durch und heizte auf die Fahrspur, als würde ich von Cape
Canaveral abheben. Der Bursche stieg in die Bremsen und fuchtelte mit der Faust
hinter mir her, als ich davonbrauste. Magie. Reine Magie voller Saft und Kraft.
    »Wo haben Sie den Wagen eigentlich her?«, fragte ich.
    Schnüffelnase löste die verkrampften Finger vom Sitz. »Er
war Duncans ganzer Stolz«, sagte sie. »Ich hab es einfach nicht
fertiggebracht, mich davon zu trennen. Er hat in einer Garage vor sich hin
gegammelt, seit Duncan starb. Als ich hörte, dass Sie rauskommen, hab ich
gedacht, Al wird irgendeinen fahrbaren Untersatz brauchen. Ich fand es immer so
nett, wie er sich aufbäumt, wenn man den Zündschlüssel umdreht, als würde er
eine kleine Erektion kriegen.«
    Ich schluckte. Ich hatte vergessen, wie ihr Verstand
manchmal arbeitete. Es ist nicht einfach für einen Mann, eine alte Frau Ende
sechzig so reden zu hören. Damit widerlegen sie alles, was sie deiner Meinung
nach sind, was sie doch schon immer gewesen sein müssen.
    »Der war zu lange eingesperrt«, sagte ich. »Genau wie ich.
Mal sehen, was wir zwei beide so leisten können, was?«
    Ich hatte davon geträumt, wieder mit einer Frau zusammen
zu sein, ich hatte davon geträumt, wieder zu spüren, wie Torvill und Dean
zwischen meinen Fingern hindurchglitten, aber das war nichts im Vergleich zu
dem hier, hinter diesem Lenkrad zu sitzen, die Gänge hochzuschalten, zu hören,
wie der Motor erst aufdrehte und dann rund lief und wir die Konkurrenz weit
hinter uns ließen. Es war zwar nicht der Vanden Pias, und ich trug auch nicht
meine Autohandschuhe aus Schweinsleder, und es saß auch kein
zweiundzwanzigjähriges Barmädchen neben mir, das sich das Tanktop auszog, aber
als wir zu Hause ankamen, fühlte ich mich wie Flipper auf Benzedrin, so stark
wie der Ozean, bereit, mich mit allem und jedem anzulegen.
    Ich parkte den Wagen, ging dahin, wo ich einmal mein
kleines märchenhaftes Leben gelebt hatte, und rechnete mit dem Schlimmsten. Ich
traute meinen Augen nicht. Da stand er, der alte Bungalow meiner Mum, wo ich
jedes Jahr die Sommerferien verbracht hatte, wo Audrey und ich uns ein Zuhause
aufgebaut hatten, genau so, wie ich ihn kannte, fast. Audrey hatte den vorderen
Teil nach der Explosion wiederaufbauen lassen, mehr nicht. Er sah aus wie
immer und doch ganz anders. Er hatte etwas Ausdrucksloses, eine Art Leere, als
wäre ihm alles Leben abhandengekommen. So vieles war auf so wenig Raum
passiert, Liebe, Hass, der ganze Kram dazwischen. Alice war neben mich
getreten.
    »Er gehört übrigens Ihnen«, sagte Alice, mit ganz leiser
Stimme. Es war eine furiose Fahrt gewesen.
    »Audrey sieht das anscheinend nicht so.«
    »Nicht der Bungalow, Al, der Wagen. Er gehört Ihnen, wenn
Sie ihn wollen. Bis Sie was Besseres gefunden haben.«
    »Mrs B...«
    »Ich hab Duncans Zimmer für Sie hergerichtet.« Sie sah
mich an, versuchte, meine Reaktion abzuschätzen. »Erinnern Sie sich an das
Zimmer?«
    Und ob ich mich erinnerte. Himmelbett, Daunenkissen. Ich
hätte es dort gemütlich. Ich schaute wieder zu dem Bungalow und zu der kleinen
Reihe Bungalows dahinter, all die Leben, die gelebt worden waren, während ich
im Knast gesessen hatte.
    »Was ist mit den Stokies?«, fragte ich und zeigte auf das
Haus hinter meinem.
    Sie schüttelte den Kopf. »Die sind weg«, sagte sie. »Sie
haben jetzt auf der Seite einen neuen Eigentümer.«
    »Ist er nett? Passt er hierher?«
    »Hab ihn nie gesehen. Es wird mittlerweile als
Feriencottage vermietet, steht das halbe Jahr leer.«
    Das hörte ich ungern. Es bedeutete Urlauber. Kreischende
Kinder, Hunde, die alles vollkackten, unnötige Nettigkeiten über den
Gartenzaun. Aber das Wichtigste zuerst.
    »Ich bezahle Ihnen den Wagen«, sagte ich. »Aber das Zimmer
werde ich wohl nicht
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