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Binde Deinen Karren an Einen Stern

Binde Deinen Karren an Einen Stern

Titel: Binde Deinen Karren an Einen Stern
Autoren: Elisabeth Lukas
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gerade dieser Glückliche, der ihn am meisten vermisst, sobald sich
sein
„Sinn im Leben“ verdünnt.
    Im Unterschied dazu ist
der
„Sinn des Lebens“ immer da – und immer unerreichbar. Was wie ein Widerspruch klingt, ist simple philosophische Logik. Menschliches Leben kann nur einen bedingungslosen Sinn haben oder keinen. Ein „bedingter Sinn“ (der davon abhinge, dass man schön ist, reich, jung …) wäre ein so absurder Sinn, dass er bereits zum Unsinn avancieren würde. Und ein „erreichbarer Sinn“ würde alles „Weiterleben danach“ sinnlos machen. Also begnügen wir uns mit der tröstlichen Erkenntnis, dass unser Leben vom ersten bis zum letzten Atemzug von Sinn durchweht ist, auch wenn wir bei unseren Zielgestaltungen hin und wieder radikal umdisponieren müssen, weil plötzlich alles, was uns bis dahin sinnvoll dünkte, wie vom Sturm verweht ist. Der Odem der Transzendenz weht in der Immanenz, ohne sich uns zu erklären …
    Meine Pläne können zerbrechen
,
    „mein“Sinn in meinem Leben
    mag sich ändern, doch:
    Immer gibt es jemand, gibt es etwas
,
    wofür ich leben kann!

Thema „Schuld“
    Der Übel größtes ist die Schuld“ – das berühmte Schillerwort thematisiert einen Sachverhalt, der in den Humanwissenschaften umstritten ist. Werden Vergehen von Einzelpersonen in der Psychologie häufig auf die Schuld der Mitwelt (Familie, Gesellschaft) geschoben, so werden sie neuerdings in der Medizin mit cerebralen Fehlprogrammierungen erklärt. Je weniger Willensfreiheit dem Menschen zuerkannt wird, desto schuldfreier wird er gesprochen, was allerdings nicht ohne Abstriche bei der Würde geht: Nur ein „Reaktionsautomat“ kann jeglicher Verantwortung – und Schuldfähigkeit – enthoben werden. Es ist geradezu der Respekt vor der Personenwürde, der uns gebietet, im Menschen ein prinzipiell entscheidungsfähiges und damit schuldfähiges (in biblischer Diktion: „erbsündiges“) Wesen zu sehen.
Was tun bei Verfehlungen?
    Halten wir das Schillerwort für heute noch gültig, dann fragt sich, wie diesem Übel begegnet werden kann. Im Klartext: Was macht man mit seinen Verfehlungen? Mir ist der Fall eines Jungen berichtet worden, der in der Schule massiv gehänselt wurde wegen seiner abstehenden Ohren, seiner Ungeschicklichkeit im Turnen und ähnlicher Lappalien. Einmal bekleckste er sich mit Malfarben, und ein Mitschüler verspottete ihn deswegen in der Pause auf dem Schulhof. Da hob der gedemütigte Junge einen Stein auf und warf ihn hinter diesem Mitschüler her, traf aber tragischerweise ein dazwischen laufendes Mädchen am Auge. Das Auge konnte nicht gerettet werden. Was jetzt?
    Nun, das Leben dieser drei Kinder muss weiter laufen, und es soll für jedes möglichst gut verlaufen. Das Mädchen ist Opfer eines schrecklichen Zufalls geworden, und da wir gerade beim Thema „Schuld“ sind, werden wir sein Schicksal nicht weiter bedenken. Wir „entlassen“ das Kind aus unseren Reflexionen in der Hoffnung, dass es sein Leben trotz der bleibenden Behinderung meistern wird. Der Junge und sein Mitschüler mögen zwar in gewisser Hinsicht auch Opfer sein, aber sie sind vor allem
Täter
und müssen für ihre Taten einstehen. Freilich, es kann verlockend sein, einen tollpatschigen Kerl auszulachen, ein solcher Impuls kann schon in der Seele aufwallen, aber muss man ihm nachgeben? Auch kann es extrem zornig machen, gequält und gemobbt zu werden, aber wirft man deshalb mit Steinen um sich? Die beiden Jugendlichen hätten sich besser kontrollieren können. Und sollen. Dafür war es jetzt zu spät. Wirklich? Entsprechend
dem
„Sinn des Lebens“, der immer da ist, ist auch in jedem Augenblick bewussten Lebens ein „Soll“ da, das uns zur Nachfolge ruft. Es ist kein Soll aus dem Mund von Autoritätspersonen wie Lehrern oder Eltern, sondern ein Soll von höchster Instanz. Und wozu rief ein solches Soll die beiden Burschen auf? Zur inneren Wandlung selbstverständlich. Wenn sie dieselben blieben, die sie waren, würde das Unglück nur Leid gebracht haben, und das Leid würde sich vielleicht sogar noch vermehren. Wenn sie sich die Sache jedoch zu Herzen nähmen und in Zukunft freundlicher, disziplinierter, souveräner, reifer agieren würden, könnte dem Unglück ein Fortschritt entspringen, der irgendwo ein anderes Leid zu verhindern vermöchte. Das Mädchen hätte nicht „umsonst“ gelitten …
    So empfahl ich zu argumentieren: „Entschuldigt euch und wandelt euch! Rafft euch dem geschädigten
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