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Binde Deinen Karren an Einen Stern

Binde Deinen Karren an Einen Stern

Titel: Binde Deinen Karren an Einen Stern
Autoren: Elisabeth Lukas
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sinnvoll, passend, richtig, ja, optimal dünkt, was er gerne tun möchte und was seiner individuellen Lebenserfüllung entspräche, aber seine Hände sind gebunden, und er muss hilflos zusehen, wie seine Absichten „gegen Mauern knallen“. Je mehr Sinn in einem geplanten Vorhaben gesehen wird, desto größer ist naturgemäß die Enttäuschung, sobald sich dessen Undurchführbarkeit abzeichnet. Es ist eine seltsame Ironie, dass gerade auf Personen, die sehr klare Zielvorstellungen entwickeln und über eine hinreichende Motivationskraft verfügen, das ihnen Vorschwebende in die Tat umzusetzen, bittere Rückschläge warten können; in ihrer Qualität vielleicht noch bitterer als der schale Geschmack des ziellos-leeren Lebens, das niemanden befriedigt, aber in seiner Inhaltslosigkeit vor eventuellen Enttäuschungen eher verschont.
    Was kann man jenen Personen raten, die mit ihren Absichten „gegen Mauern rennen“? Kurz gesagt, es gilt, eine neue Fähigkeit zu erwerben, und exakt dies ist das nächste kurzfristige Ziel, das sie allem Bisherigen vorschalten müssen: statt der großen Kunst, der Beharrlichkeit im Anstreben, benötigen sie jetzt ein gerütteltes Maß an Flexibilität und Anpassungswillen. Ein „Kunstwechsel“ stellt sozusagen die Weichen für den nötigen „Kurswechsel“. Die ungangbaren Wege müssen verlassen werden. Das tut im Herzen weh, es sei denn, jemand kann ihrem Betreten-Haben seine Zustimmung geben. Wie? Nun, zum Beispiel, indem er es nicht bereut, jene Wege betreten zu haben, sondern die zurückgelegten Abschnitte als Lerngewinne oder als Böden für erwartungsfrohes Ausschreiten betrachtet, die ohne Ankunft an irgendwelchen Zielen bereits ihren Sinn in sich gehabt haben. Das schöne Franklwort „Die Intention ist unser, der Effekt ist Gottes“ weist in Richtung einer gesunden Geisteshaltung, die sich redlich anstrengt und sich dann demütig beugt vor dem Ergebnis.
    Nehmen wir nun den Kurswechsel unter die Lupe. Er darf sich an Ähnlichem orientieren, aber nicht zum Zwecke eines Ersatzes. Wer sich das Ziel gesetzt hat, eine große Familie zu gründen, und dem der Kindersegen verwehrt bleibt, darf sich zum Kinderdorfbetreuer ausbilden lassen, aber nicht um sich doch noch – durch die Hintertüre – „Kinder anzueignen“. Auch für ähnliche neue Ziele braucht es eine lautere Motivation, die nicht der eigenen Befriedigung bzw. dem Austarieren eigener Enttäuschung dient, sondern den Menschen oder der Sache selbst, um die es eben geht. Ferner soll das Ähnliche, zu dem man (sich neu orientierend) unterwegs ist, nicht den Stellenwert des Zweitrangigen bekommen nach dem Motto: Das Beste hat nicht gelingen wollen, jetzt nimmt man das Zweitbeste. Für Zweitrangiges engagiert man sich nicht genug, der Verwirklichungsmotor läuft nur mit halber Kraft. Insofern ist es mitunter leichter, sich nach dem Scheitern kein ähnliches, sondern ein andersgeartetes neues Ziel zu setzen, auf das man wieder mit Neugierde und Vorfreude zugehen kann.
    Ein weiterer Gedanke: Der erforderliche Zielwechsel kann mit einer Werteverschiebung Hand in Hand erfolgen. Es kommt zum Beispiel vor, dass Menschen, die schöpferisch sehr aktiv sind und viele Aufgaben gleichzeitig managen, durch einen Unfall zu einem relativ passiven Leben gezwungen werden. Statt mit ihrem Schicksal zu hadern, könnten sie die Faszination der stillen Einkehr entdecken, den Reiz der Kontemplation, und es sich zum Ziel setzen, ihre innere Welt bewusst so fantasievoll auszubauen, wie sie es früher mit ihrer äußeren Welt zu tun pflegten. Es gibt genügend Menschen, die ihre geistigen Kräfte auf diese Weise von der schöpferischen Werteschiene auf die Schiene der Erlebniswerte verlagert und dabei ein sagenhaftes Neuland betreten haben, von dem sie früher nicht einmal zu träumen vermocht hätten. Analoge Akzentverschiebungen – etwa vom sportlichen Einzelgänger zum sozial integrierten Rollstuhlfahrer oder umgekehrt: vom trägen Partylöwen zum ehrgeizigen Paralympic-Bewerber – vermögen einem von Hindernissen überschatteten Dasein völlig neue Glanzlichter zu verleihen.
    Unser
„Sinn im Leben“ – bzw. was wir jeweils dafür halten – ist brüchig wie unsere eigene Existenz. Er wechselt mit den Jahren, tritt manchmal deutlich zutage, verbirgt sich manchmal in nächtlicher Finsternis und scheint uns manchmal sogar an der Nase herumzuführen. Glücklich ist derjenige, der ihn eine gute Weile festhalten kann; aber vielleicht ist es
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