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Bin Ich Schon Erleuchtet

Bin Ich Schon Erleuchtet

Titel: Bin Ich Schon Erleuchtet
Autoren: Suzanne Morrison
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verlockend wie Sauna mit einem nassen Hund. Ich hatte kein Model aus dem Yoga Journal nach Bali verpflanzt, sondern mich, und nun beschlich mich das dumme Gefühl, dass mein bleicher Luxus-Body für das primitive Leben nicht geschaffen war. Und die Aussicht auf eine Hütte mit Lehmboden, auf dem zweifellos Scharen von Inseltierchen herumkrabbelten, weckte in mir die Sehnsucht nach meiner bequemen Matratze und meiner insektenfreien Wohnung.
    Ich war auf dem besten Wege zu einem Nervenzusammenbruch. Horden räudiger Hunde, eine Hütte mit Lehmboden. Ich würde mir Läuse und Kopfhautflechte und Japanische Enzephalitis einfangen. Und wo wir schon dabei waren – der letzte Bürgerkrieg in Indonesien lag auch noch nicht lange zurück. Vielleicht braute sich gerade der nächste zusammen? Wenn ich gleich nach New York gegangen wäre, hätte ich mich wenigstens nur mit Kakerlaken herumplagen müssen. Was mich daran erinnerte, dass Jonah in sieben Wochen nach New York zog. Ich vermisste meine Schwester. Ich wollte nicht weinen. Ich wollte rauchen.
    Also machte ich diese Meditation. Es ist eigentlich keine richtige Meditation, wenigstens nicht eine, wie ich sie im Kurs gelernt habe. Aber sie hat mir früher bei langen Autofahrten geholfen, wenn mir langweilig war oder schlecht wurde. Ich sehe mir die anderen Leute auf der Straße an und stelle sie mir ohne ihre Autos vor. Das ist so ähnlich, als wenn man sich die Leute im Zuschauerraum in Unterwäsche vorstellt. Auf mich jedenfalls hat das einen beruhigenden Effekt. Wir düsen also alle über die Straße, in unserer normalen Sitzhaltung, umfassen unsichtbare Lenkräder oder stützen den Arm auf die unsichtbare Autotür. Auf den Motorrädern hocken meistens zwei Leute hintereinander. Aber es gibt keine Motorräder. Und keine Autos. Alle Fahrzeuge sind verschwunden, und wir preschen im Eiltempo durch die Weltgeschichte, nur unsere Körper bewegen sich durch den Raum.
    Aber als wir am Ziel waren und ich aus Ketuts überdimensionalem Geschoss ausstieg, war alles auf einmal sehr, sehr wirklich.

    Schon komisch, wie viel Angst ich hatte. Das ist alles erst ein paar Stunden her, und schon blicke ich auf diese Person – mich – zurück und denke mir, ich hätte mich einfach entspannen und abwarten sollen, was passiert, statt mir alle möglichen furchtbaren Dinge auszumalen. Mal ehrlich, wozu sind solche Einbildungen überhaupt gut? Man weiß sowieso nicht, wie etwas ist, bevor man es erlebt.
    Meine Mitbewohnerin zum Beispiel. Das Einzige, was ich bei meiner Ankunft in Penestanan wusste, war, dass mich eine Mitbewohnerin in meiner Unterkunft erwartete. Wir hatten vor ungefähr einem Monat kurz telefoniert. Sie hatte mit leiser, luftiger Stimme irgendwas gehaucht von »Sehen, wohin der Geist uns führt auf dieser Reise des Selbst«, und dass wir uns auf einer Weisheitssuche oder Visionssuche oder so was befänden, deshalb hatte ich sie sofort in die New-Age-Ecke gestellt. Indra hatte mir erzählt, dass Jessica als Heilmasseurin arbeitete, aber Jessica selbst hatte sich am Telefon als Body-Workerin bezeichnet. Ich hatte keine Ahnung, was eine Body-Workerin tut, aber ich hegte den Verdacht, dass es jemand ist, der kein Deo benutzt.
    Ketut setzte mich auf einer Schotterstraße ab, die als Parkplatz diente. Rechts von mir ging der Schotter in Lehmboden über, und die Straße verengte sich zu einem Pfad, der in einen Wald führte, der so kühl und feucht aussah wie die Wälder zu Hause. Links von mir erstreckten sich Reisfelder bis zum Horizont, ein Ozean aus Grün.
    Jessica, rotwangig und löwenmähnig, stand am Rand des Parkplatzes. Ungefähr so groß wie ich, aber zierlicher und biegsamer. Sie trug einen ballettrosafarbenen Sarong, ein weißes, bauchfreies Tanktop und uralte Trekking-Sandalen. Sie ist hübsch wie eine Muse, und ihre blonden Haare sind der Hammer. Sie hält sie mit Haarzöpfchen, die sie um den Kopf gelegt hat, von ihrem herzförmigen Gesicht fern. Mein erster Gedanke: Das will ich auch.
    Als könnte ich ihre Zöpfchen kaufen.
    Die beste Nachricht des Tages? Jessica riecht phantastisch. Nach Vanille und Ambra. Kein schlampiger, schmuddeliger Hippie weit und breit! Das ist beachtlich. Allerdings rasiert sie sich die Beine nicht. Aber gut, ich hatte in der Highschool auch meine radikalfeministische Phase, ich kenne das. (Bin auf deiner Seite, Schwester.) Wenigstens hat Jessica den Mut, ihre haarigen Beine zu zeigen. Als ich mich damals nicht mehr rasierte, trug ich
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