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Bin ich hier der Depp

Bin ich hier der Depp

Titel: Bin ich hier der Depp
Autoren: Martin Wehrle
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Wertschätzung, wenn er sich ein paar Tage Zeit für seine Einschätzung nimmt. Mein höchstes Ziel ist es nicht, schnell zum Erfolg zu kommen, sondern allmählich zu mir selbst. Und mein ideales Tempo kann mir kein äußerer Takt, nur mein innerer Rhythmus vorgeben.
    Aktionismus dürfen wir nicht länger mit Tatkraft verwechseln, denn Taten wollen reifen; Hetzerei nicht mit Zielstrebigkeit, denn Zielen braucht Zeit; und einen überfüllten Terminkalender nicht mit einem erfüllten Leben, denn Erfüllung setzt Gestaltungsraum voraus. Statt gegen »Zeitverschwendung« zu kämpfen, könnten wir uns fragen, ob unser eigentliches Problem nicht in dem Denken hinter dieser Formulierung besteht; denn Zeit ist eben nicht wie Geld: Keiner hat sie je gemehrt und keiner je verschwendet.
    Unser Leben ist gefüllt mit Zeit, und unsere Zeit können wir füllen mit Leben. Wer hetzt, hat dadurch nicht mehr Zeit, schon gar nicht mehr Leben. Der wahre Reichtum einer Gesellschaft ist ein Reichtum an Zeit. Wer sich im Leben auch mal treiben lässt und nicht nur getrieben wird, ist entspannter, glücklicher, reicher.
    Wir brauchen eine Kultur der Beschaulichkeit, auch in Ausbildung und Studium. Wir sollten uns wieder Zeit nehmen, jeder für sich und alle füreinander, statt sie uns nehmen zu lassen. Zeit ist ein Maßstab, der verrät, was uns wichtig ist. Wie ist Ihre Zeit verteilt? Welche Rolle spielen Ihre Herzensdinge, Ihre Freunde, Ihre Familie, Ihre Hobbys?
    Wer sich Zeit für seine Freunde und seine Familie nimmt, weil sie ihm wichtig sind, hat Freunde und Familie. Wer sich Zeit für seine Hobbys nimmt, weil sie ihm wichtig sind, hat Hobbys. Aber wer Freunde, Familie und Hobbys vor allem als Ressource gegen den Burn-out pflegt, mit knapp bemessener Um-zu-Zeit, hat im Notfall weder Freunde, Familie noch Hobbys – sondern nur die Illusion davon.
    Gerade die Nicht-zu-Zeit, die man seinen Herzensdingen widmet (und nicht nur in sie investiert ), ist der beste Schutz gegen die seelische Erschöpfung. Wir brauchen nicht mehr genutzte, sondern mehr genossene Zeit; Jean-Jacques Rousseau schrieb: »Das Leben ist kurz, weniger wegen der kurzen Zeit, die es dauert, sondern weil uns von dieser kurzen Zeit fast keine bleibt, es zu genießen.«
    3. Starke Politik: Emissionsgebühr gegen Ausbeuter-Firmen
    Jede Aktiengesellschaft muss ihre Geschäftszahlen offenlegen. Der Gesetzgeber verlangt das. Ebenso transparent sollten die Arbeitsbedingungen sein. Es darf nicht länger als Geheimnis der Firmen gelten, wie menschlich oder unmenschlich sie ihre Mitarbeiter behandeln; das geht uns alle an!
    Wir brauchen ein gesetzliches Recht darauf, von Unternehmen zu erfahren, unter welchen Umständen ihre Mitarbeiter arbeiten. Welche Löhne oder Hungerlöhne bekommen sie? Wie viele Leiharbeiter sind im Einsatz? Welcher Teil der Arbeit findet im Ausland statt? Wie werden ältere Mitarbeiter behandelt? Welchen Anteil nehmen die Frauen unter den Führenden ein? Wie entwickeln sich die Krankheitsquoten? Wie viele Überstunden leisten die Mitarbeiter? Wie viele Mobbing-Klagen gibt es? Welche Maßnahmen zum Arbeitsschutz werden ergriffen? Wie viel Geld wendet die Firma auf, um die Gesundheit von Mitarbeitern zu schützen?
    Diese Fakten sollten von einer neutralen Stelle ausgewertet, öffentlich gemacht und zu einer Arbeitgeber-Note verdichtet werden. Unternehmen mit schlechten Noten, die Raubbau an ihren Mitarbeitern betreiben, sollten eine Emissionsgebühr bezahlen müssen – zugunsten jener Firmen, die ihre Mitarbeiter würdig behandeln; denn daraus soll ihnen kein materieller Wettbewerbsnachteil entstehen wie bislang, im Gegenteil.
    Die Emissionsgebühr wäre ein Anreiz für die Firmen, von einer ausbeuterischen auf eine menschliche Firmenkultur umzuschwenken.
    4. Seuchenwarnung: Ärzte schlagen Alarm
    Warum ist jede Seuche in Deutschland bis ins Detail meldepflichtig, aber Stresskrankheiten sind es nicht? Ein Gesetz sollte Ärzte dazu anhalten, jeden Fall von Stresskrankheit (anonymisiert) zu melden, unter Angabe der auslösenden Firma. Diese Zahlen könnten einen wichtigen Überblick liefern, wohin die Arbeitsgesellschaft sich entwickelt und in welchen Firmen und Branchen die Menschen zu Deppen gemacht werden.
    Zusätzlich brauchen wir unabhängige Kommissionen wie in Japan, die jeden verdächtigen Tod eines Arbeitnehmers erforschen: Welche Rolle spielt die Arbeit? Hat der Mitarbeiter sich zu Tode geschuftet (»Karoshi«)? Wie viele Überstunden, welche
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