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Bilderbuch Aus Meiner Knabenzeit

Titel: Bilderbuch Aus Meiner Knabenzeit
Autoren: Justinus Kerner
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dulden, daß ihre
Hintersassen
zu Staatsbürgern erhoben würden. Er war ein Feind der Formen, und als ihm der König die interimistische Verwaltung des Ministeriums des Innern übergab, wollte er es anfänglich zurückweisen mit der Äußerung: er verstehe die Formen nicht, aber da entgegnete ihm der König: eben deswegen wünsche ich, daß Sie es übernehmen. Er bedauerte damals die Verwerfung des königlichen Verfassungsentwurfs, weil er freiere, bürgerlichere Institutionen gab, als nachher errungen wurden. Er war ein Feind der Vielschreiberei und stimmte im Geheimerat gegen die Organisation der Kreisregierungen, weswegen er damals aus dem Geheimerate treten mußte. Er war ein Bürgerfreund, abhold dem Schreibergeiste. Während seines kurzen Ministeriums kämpfte er »mit
grobem
Geschütze«, das heißt: mit offenen, redlichen Waffen für König und Vaterland. Im Jahre 1817 nahm er als Kommissionsmitglied an den neuen Militäreinrichtungen großen Teil, und wirkte bis zu seinem Tode als Mitglied des Vereins für Wohltätigkeit, Landwirtschaft, Gewerbe, Kunst, und die Verbesserung der Strafgefangenen. König Wilhelm erteilte ihm im Jahre 1830 den Friedrichsorden. Schöner aber als sein tätiges äußeres Wirken, war sein inneres Leben, seine Biederkeit; seine Religiosität, sein fester Glaube. Von der Gewißheit eines zukünftigen Lebens war er auf seinem Sterbebett ganz durchdrungen, das Irdische ihm dagegen zum Ekel geworden. Er begehrte mit Sehnsucht hinüber. In den letzten Tagen vor seinem Ende strahlte sein Gesicht schon ganz verklärt. Er sagte: Wer von der Notwendigkeit, ja, der Schönheit des Todes so überzeugt ist, wie ich, schon so hinüber sah, und das Diesseits mit Jenseits vergleichen kann, den soll man nicht mehr hier aufhalten, diesem zerrütteten Körper bleibt kein Recht mehr an den Geist, überdies hat Gott kommandiert und da soll der Mensch schweigen! – Er starb am 12. April 1840. Seine in Eisen gegossene Büste ist in dem Saale der Modelle in Wasseralfingen aufgestellt.
     
     
Beim Erblicken von Stuttgart am 1. Juni 1830
    Noch einmal sah ich sie, sie sinds die Mauren,
    Die mich im Knabenalter einst umschlossen,
    Wo sich zuerst Gefühle mir erschlossen,
    Die noch am Abend meines Lebens dauren.
    Wie könnt ich anders als herzinnig trauren,
    Denk ich der Blüten, die mir da entsprossen.
    Moos deckt dein Grab du liebster der Genossen!
    Wen soll ich von uns beiden,
wen
bedauren?
    Ich lebe noch, und du hast lang vollendet,
    Doch ruht wie deins, mein Schicksal in
der
Hand
    Die alles schafft und bildet und vollendet.
    Sie war es, die als Knaben uns verband,
    Drum hoff ich, laß sie mich wo nichts mehr endet,
    Dich wiederfinden, wie ich einst dich fand.
     
    Reinhold hatte im Sinne, das Leben seines Freundes in einer Reihe von Sonetten und Gedichten darzustellen, wie er auch noch viele hinterließ, deren Inhalt die Klage um seinen Freund ist.
    Ich gebe aus ihnen noch folgendes, das bald nach dem Tode des Freundes (also im Jahre 1812) aus seinem gepreßten Herzen floß:
     
    Hunderte zeugten von ihm, wohin er folgte dem Schicksal,
    Von der Tiber bis da, wo sich der Kulla erhebt.
    Deutschlands Norden gewährte dem Pilger die andere Heimat,
    Freiheit fand er im Schoß nützlichen Bürgervereins.
    Dankbar reicht' er dafür die Übung göttlicher Kunst ihm,
    Welche der Menschen Wehn lindert mit treuem Bemühn.
    Hundert zeugen von ihm: nicht Mühsal minder noch Opfer,
    Hülfreich war sein Geist, schöner noch diente sein Herz.
    Bande der Lieb' und Natur vollendeten seine Verknüpfung
    Mit der begünstigten Flur, väterlich ihm durch die Wahl,
    Aber es lauerte Krieg, schon lauerte grimmige Habsucht
    Auf das beschützte Gefild, Schauder bewegt' ihm die Brust.
    Losbrach jetzt mit Gewalt der Furien Heer, der verkannte
    Nicht die Gorgonengestalt: Hoffnung erstarb in dem Blick.
    Heftiger brannte die Flamme, die lang an der Quelle des Lebens
    Hatte gezehrt, die sonst edle Begeistrung geweckt,
    Zeugte verzehrenden Gram, und wütete tödlich im Innern.
    Schmach unglücklicher Zeit brach das zerfallene Herz.
    Deutschland! ehre den Sohn, der feurig dich liebt' und beständig;
    Könnt er sterben für dich, hätt' er sein Blut dir geschenkt,
    Doch du, gesunken unter den Völkern ließest den Söhnen
    Statt des Todes um Sieg, übrig den Tod nur aus Schmerz!
     
    Die Nachricht von seinem Tode, gerade als wir ihn wieder in die Arme schließen zu können hofften, traf uns schwer. Meine Gefühle nach seinem Verluste,
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