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Bilderbuch Aus Meiner Knabenzeit

Titel: Bilderbuch Aus Meiner Knabenzeit
Autoren: Justinus Kerner
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aufhörte, kam Reinhold im September 1810 wieder nach Hamburg, und da sahen sich die Freunde zum letzten Male. Reinhold verweilte nur noch 14 Tage in Hamburg und ging dann nach Paris ab. Am 8. März 1810, dem Geburtstage Reinholds, wurde meinem Bruder sein erster und einziger Sohn geboren. Im Schmerz über die Trennung von seinem Freunde, den er auf keine Weise zu überwinden wußte, gab ihm dieses Ereignis wieder einige Freude, und er gab seinem Sohn den Namen
Reinhold.
Dieser Sohn widmete sich der Wasserbaukunst und dient seiner Vaterstadt schon längere Zeit in Cuxhaven mit vieler Auszeichnung. Außer diesem Knaben wurden ihm noch zwei Mädchen,
Bonafine
und
Klara
geboren, von denen das jüngere,
Klara,
das Ebenbild des Vaters wurde.
    Immer trüber gestaltete sich für meinen Bruder auch nun der politische Himmel, aber nie hörte er zu hoffen auf. So wie aber die Hoffnung sich wirklich in ihm nicht für sich verdunkelte, denn sein
Ich
kam eigentlich nie bei ihm in Betracht, sondern für die Menschheit, als Hamburg, und man könnte sagen, ganz Deutschland, Frankreich einverleibt ward, da versiegte auch sein Lebensquell, nicht seine Liebe noch Bereitwilligkeit zu helfen, wie gerade sein Tod beweist.
    Nur zuweilen brach sein Gram, brachen seine durch Frankreich so getäuschten Hoffnungen in Erbitterung aus, wovon auch ein Gedicht zeugen kann, das er damals unter der Aufschrift: »Das blaue Fieber« schrieb, und das noch nach seinem Tode, nach
Varnhagen von Enses
Zeugnis, im Jahre 1815 den drei Monarchen in Paris zur Ergötzung gereichte.
    »Ein Mann von Geist, schreibt Varnhagen (in dem 3. Band 3. Teil seiner Denkwürdigkeiten, als er von der Anwesenheit
Schmidts
von Bremen in Paris im Jahre 1815 spricht), gilt durch sich selber mehr, als durch die Stelle, welche der Zufall ihm anweist, Schmidts Ansichten und Äußerungen blieben nicht gleichgültig, und fanden bisweilen Widerhall in den höchsten Regionen. So wußte er ein Lied auswendig, das der in Hamburg verstorbene Dr. Kerner, sein Freund, gedichtet hatte, als er sich von den Franzosen, denen er leidenschaftlich angehangen, mit Grimm lossagte, weil sie statt der frühern Freiheit nur Knechtschaft und Schmach brächten, sie waren darin als blaues Fieber bezeichnet, wobei
Napoleon
als der Oberste der Blauen, nicht verkürzt wurde. Das Lied hatte ungemeine Kraft und Heftigkeit, die auch dem Ohre und Gedächtnis leicht einging. Man ergötzte sich an dem blauen Sturme, und der Kaiser Franz, der sich das Gedicht mitteilen ließ, wußte es bald auswendig und fiel nun bei hundert Gelegenheiten in die bald allgekannten Zeilen ein. Der Krieg war noch unentschieden, und mit
Napoleon
wurde noch unterhandelt, aber daß der Kaiser Franz ohne Bedenken täglich in solchen Versen den Blauen verwünschen konnte, zeigte genugsam, daß keine Vorliebe für seinen Schwiegersohn ihn beseelte, und manche Betrübung und Nutzanwendung folgte aus dieser Entdeckung!«
    In äußerer Tätigkeit und Eifer für alles Gute, besonders in seinem ärztlichen Berufe, ließ aber mein Bruder bei allem innern Gram und Trauer und körperlicher sichtbarer Ermattung nicht nach, ja, es mußte einem oft vorkommen, als wollte er mit solchem Treiben und Schaffen in die Außenwelt einen doch immer mehr erwachenden Schmerz des Innern überwältigen. Seine Reizbarkeit, sein Eifer, sein Schaffen steigerte sich immer mehr; sein Leben wurde das eines gejagten Hirsches, und die Kräfte mußten sich verzehren.
    Wohl war es schon eine Vorahnung eines höhern Heimgehens, daß ihn auf einmal eine Sehnsucht nach seiner Heimat befiel, es trieb ihn, mit Frau und Kinder dahin zu ziehen, und im Schoße des Vaterlandes zu ruhen. Es war alles zur Abreise bestimmt und die frohe Botschaft schon der liebenden Mutter verkündet, als er in eine Krankheit verfiel aus der er nicht mehr erstand und die er wohl, schon lange in sich fühlte. In seinem Taschenbuche fand man folgende Verse eingeschrieben, wohl Ahnungen eines baldigen Todes vor seinem Erkranken.
     
    »Hin ist hin, verloren ist verloren,
    Für das Grab bist du geboren,
    Heimatluft wird nimmer dich umwehn,
    Wirst nicht mehr den Mutterboden sehn,
    Auf den glänzendroten Wangen
    Hat der Tod schon angefangen,
    Ohne dein Gemüt zu trüben,
    Furchtbar seine Siegeskraft zu üben.
    Aus der Feuersglut der Augen
    Wollen Hoffnung deine Freunde saugen,
    Aber aus den hingewelkten Zügen
    Straft der bessere Wunsch sich selber Lügen.«
     
    Über seine letzten Tage und seinen Tod,
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