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Bilderbuch Aus Meiner Knabenzeit

Titel: Bilderbuch Aus Meiner Knabenzeit
Autoren: Justinus Kerner
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glühenden Eifer für das Wohl ihrer Mitmenschen beseelt sind.
    Wie viel gerechter ist bei so seltenen Eigenschaften die Trauer derer, die durch Bande der Liebe oder der innigen Freundschaft mit ihm näher verknüpft waren, und in seinem hellen Verstande eben so viele Belehrung und Unterhaltung schöpften, als sie in seiner Anhänglichkeit und seiner uneigennützigen Aufopferung Beweise von der Vortrefflichkeit seines Herzens zählen. Die außerordentliche Geschicklichkeit des Verstorbenen als Geburtshelfer und seine großen Verdienste als Armenarzt, ein Beruf, den er einer glänzenden Praxis vorzog, wurden von seinen Mitbürgern gewürdigt. Neun Jahre lebte er als ausübender Arzt unter uns, ihm ward der Segen von tausend Armen und Unglücklichen, denen er mit einer Menschenliebe als Arzt unserer Armenanstalt, des Zucht- und Entbindungshauses, Gesundheit und jede nötige Hülfe gewährte.
    Eine sich selbst vergessende Uneigennützigkeit, eine seltene Genialität und eine nichts verhehlende Offenheit machten ihn unter anderm seinen Freunden doppelt teuer.
    In vielen Ländern, in welchen ihn seine merkwürdigen Schicksale führten, hinterläßt er deren, welche seinen frühen Verlust nie vergessen und nur darin eine Beruhigung finden werden, daß er in einem kurzen aber gehaltvollen Leben die Summe eines langen Daseins erschöpft und dessen Zweck erfüllt zu haben scheint.«
    Ein
Glück ward meinem Bruder, der andern zu lieb so vieles entbehrte – der, wenn auch kurze, Besitz einer Gattin reich an Geist und Gemüt, die ihn nach seiner ganzen Eigentümlichkeit erkannte und nach ihr zu behandeln verstand.
    Seine letzten Wünsche, mit seiner Familie in seine Heimat zu kehren, erfüllte sie aus Pietät für ihn. Sie siedelte sich bald nach seinem Tode mit ihren drei Kindern für mehrere Jahre in Stuttgart an, und erfreute sich des Umgangs mit den Verwandten ihres teuren Vorangegangenen, bis endlich Verhältnisse ihrer Familie sie wieder in ihre Heimat nach Hamburg zurückriefen, wo sie noch jetzt, ein Segen ihrer Kinder und Enkel lebt.
    Nachstehende Zeilen, in denen ein getreues Bild des Geliebten entworfen ist, flossen aus ihrer Feder.
    »Unter mittlerer Größe war Kerner trotz seines zierlichen Wuchses sehr kräftig und regelmäßig gebaut. Auf die Kleinheit seiner Hände und Füße besaß er eine
angeerbte
Eitelkeit. Die Form seines Gesichts war vielleicht zu lang, aber seine feine, nur wenig gebogene Nase, sein geschlossener, mit einer sehr kurzen Oberlippe versehener Mund, um den dennoch jede Empfindung seiner Seele sich abspiegelte, durfte man schön nennen. Seine braunen Augen drückten in den Stunden der Ruhe nur Güte und auch wohl Schwermut aus, doch begann er aufgeregt zu sprechen, so strahlten sie, von einem kaum zu ertragenden Glanz. Die frühere Büste Bonapartes gleicht Kerner so sehr, daß man wähnen könnte er habe dazu gesessen. Sein dunkelbraunes Haar war sehr fein und seidenweich, nur ungern entschloß er sich dazu es schneiden zu lassen, aus Furcht, dadurch den Schnupfen zu erhalten, der ihm bei sich und bei andern das Widrigste war. Seine Kopfform war die sonderbarste, die man sich vorstellen kann, lauter Hügel und Täler, ein tiefer Einschnitt zog sich quer über den Schädel, diesen hatte er deshalb seinem Freund Speel in Kopenhagen vermacht, der vor ihm starb.
Gall
wollte er nicht zugestehen seinen Kopf zu befühlen, sei es, daß er zu viel oder zu wenig an sein System glaubte. Ein Feind des Materialismus, wendete er sich eben so sehr von allem ab, von dem er nicht den praktischen Nutzen begriff.
    Gut und vortrefflich, wie er war, ging er aus seines Schöpfers Hand hervor, Grundsätze hatte er eigentlich keine, weshalb sein Freund R. von ihm zu behaupten pflegte: hätte Gott ihn nicht den allerbesten Menschen werden lassen, so würde er der allerschlechteste geworden sein. Bei so viel Liebe und Güte des Herzens, wie Kerner sie besaß, gefiel er sich wohl von Greueltaten zu sprechen, denen er unter Bedingungen fähig sein würde, wodurch er sich von Reinhold die Benennung eines Fanfaron de crimes zuzog.
    Kein Mensch hatte weniger Bedürfnisse und unbegrenztere Wünsche; ohne einen Heller in der Tasche, war er deshalb nicht arm zu nennen, Millionen hätten ihm nicht das Gefühl von Reichtum gegeben. Ob er sich auf seinem Mantel auf den Fußboden zum Schlafen niederlegte, oder in ein reiches Bett, galt ihm bis einige Monate vor seinem Tode gleich. Er aß wenig und einfach und hatte wohl
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