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Bilderbuch Aus Meiner Knabenzeit

Titel: Bilderbuch Aus Meiner Knabenzeit
Autoren: Justinus Kerner
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Jahre 1841 abgedruckt findet, heißt es:
     
    »
Wüster Streit bricht bald herein,
    Bringet Tod auch dem Gesange!«
     
    Jetzt, wo diese Zeit
wüsten
Streites wirklich hereingebrochen ist, muß ich jenen Zweifel um so mehr wiederholen.
    Möchten diese Blätter, wenn auch nur hie und da, einen der Politik Müden finden, der sie mit jener Unbefangenheit durchliest, in der sie geschrieben wurden! –
    Weinsberg,
im Mai 1849.
    Justinus Kerner.
     
Meine Geburt und erstes Leben in Ludwigsburg
Die Zeit Herzog Karls
     
    Mein Geburtsort ist Ludwigsburg, eine der Haupt-und Residenzstädte Württembergs. Der Tag, an welchem ich geboren wurde, war der 18. September 1786.
    Mein Vater war Oberamtmann in dieser Stadt, mit dem Titel eines Regierungsrates. Meine Eltern hatten vor mir schon drei Söhne und zwei Töchter erzeugt. Am Tage meiner Taufe war mein Vater verlegen um den Namen eines vierten Sohnes. In seiner Unschlüssigkeit betrachtete er die Familienbilder, die im kleinen Bildersaale in großen Ölgemälden, von seinem Vater an bis zur Reformationszeit hinauf, an den Wänden hingen. Sein Blick fiel zuerst auf das Bild eines Mannes in geistlichem Gewande mit einem langen Barte, der ganz breit und unten in einer geraden Linie abgeschnitten, ihm vom Kinn an bis auf die Brust wie eine weiße Serviette reichte. Dieser Mann führte den Namen Justinus Andreas, und lebte im Jahre 1650 als Spezialsuperintendent in
Güglingen,
wo noch jetzt die gleiche Abbildung von ihm sich in der Kirche befindet. Nach diesem nun schöpfte mir mein Vater die Namen Justinus Andreas, welche nicht gewöhnliche Namen aber meiner Mutter nach der Taufe große Skrupel machten (obgleich den Namen Justinus noch viele meiner Voreltern führten), so daß mein Vater zu ihrer Beruhigung in das Kirchenbuch auch den sehr christlichen Namen
Christian
einschreiben ließ, mit welchem ich dann gewöhnlich im Kreise meiner Familie genannt wurde.
    Von jenem alten Justinus muß ich noch anführen, daß er einmal von der geistlichen Oberbehörde in Stuttgart den Auftrag erhielt, sich nach Laufen zu begeben, um im dortigen Dekanathause die Untersuchung über eine Geistererscheinung zu führen. Der Dekan zu Laufen hatte nämlich an das Konsistorium berichtet: er könne in seinem Hause wegen Verfolgung von einem Gespenste nicht mehr bleiben. Jener alte Justinus wollte da an den Tag gebracht haben, daß jenes Gespenst die lebende Köchin des Herrn Dekans gewesen. Die Akten dieser Untersuchung finden sich noch im Archive des Konsistoriums. Dies zum Beweise, daß mir der Glaube an die Existenz von Geistern nicht anererbt und mit diesem Namen nicht angetan ist.
    Am Tage meiner Taufe benetzte mir mein Vater die Lippen mit Champagnerwein, was meiner guten Mutter auch oft ein Bedenken verursachte.
    Während meiner ersten Kindheit regierte noch der Herzog
Karl Eugen.
Er hatte in Ludwigsburg seine Sommerresidenz, und in dieser Zeit füllten sich die weiten menschenleeren Gassen, Linden- und Kastanienalleen Ludwigsburgs mit Hofleuten in seidenen Fräcken, Haarbeuteln und Degen, und mit den herzoglichen Militärs in glänzenden Uniformen und Grenadierkappen, gegen welche die andern wenigen Bewohner in bescheidenen Zivilröcken verschwanden. Das prachtvolle Schloß mit seinen weiten Plätzen und Gärten, der nahe Park mit dem sogenannten Favoritschlößchen, die schattenreichen Alleen von Linden und Kastanienbäumen, die in weiten Reihen auf die Stadt zu liefen und selbst in der Stadt die schönsten Schattengänge voll Blüten und Duft bildeten, der große weite Marktplatz der Stadt selbst, mit seinen Arkaden, waren oft der Schauplatz der Vergnügungen dieses weltlustigen Fürsten, Schauplätze von Festen, die, gedenkt man ihrer in jetziger Zeit, einem nur wie bunte Träume erscheinen. So fanden in der dem Schlosse gegenübergelegenen Favorite die ungeheuersten Feuerwerke statt, mit einem Aufwande, der dem am Hofe von Versailles gleichkam. Auf dem bei der Stadt gelegenen See wurden Feste gegeben, bei denen schöne Mädchen der Stadt als Seeköniginnen figurieren mußten. In seinen früheren Zeiten schuf der Herzog oft im Winter, in den sein Geburtstag fiel, Zaubergärten, ähnlich denen, die in den Erzählungen von »Tausend und eine Nacht« vorkommen. Er ließ in der Mitte des Herbstes über die wirklich bestehenden schönsten Orangengärten von 1000 Fuß in der Länge und hundert in der Breite ein ungeheures Gebäude von Glas errichten, das sie vor der Einwirkung des Winters
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