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Bilder von dir: Roman (German Edition)

Bilder von dir: Roman (German Edition)

Titel: Bilder von dir: Roman (German Edition)
Autoren: Kate Racculia
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Arthur, dass er nicht im Schrank nachgesehen hatte. Er hatte nicht genügend Kraft, sich aufzurichten, also kroch er hinüber zur Tür und schob sie auf, und da waren alle seine Hosen und Hemden und daneben hingen schweigend und vertraut Amys Röcke und Kleider. Beurlaubt. Ärmel, die auf Arme warteten, die sie nie mehr füllen würden. Kragen, die auf einen Hals warteten, der kalt und still geworden war. In hellen Pappschachteln begrabene und gestapelte Schuhe. Und Arthur fiel erschöpft auf dem Teppich nach vorne und hasste sich dafür, nichts sehen zu können.
    Er blinzelte. Er atmete. Der Flor kratzte auf seiner Haut. Er spürte Harryhausen, der an seinem Kopf vorbeiging, schloss die Augen und wünschte, er könnte einfach wegsinken und alles vergessen, könnte es unwahr machen, ungeschehen. Lange Zeit versuchte er sich zum Einschlafen zu zwingen, doch es gelang ihm nicht. Er schlug die Augen wieder auf.
    Und Arthurs Augen, die nur Zeit gebraucht hatten, sich an die Dunkelheit zu gewöhnen, sahen eine Schuhschachtel. Eine riesige Schuhschachtel auf dem Boden ihres Schranks, die er schon zigmal gesehen hatte, die er, wie er sich sogar erinnern konnte, beim Einzug hereingetragen hatte, aber eine Schuhschachtel, die – trotz ihres Kartons in leuchtendem Pink, mit dem Wort GUMMBALLS ! wie einem Brandzeichen auf der Seite, groß genug, um ein Paar schwarze Stiletto-Stiefel (abgebildet) aufzunehmen, die Arthur seine Frau aber nie hatte tragen sehen – immer auf sehr wirksame Weise unsichtbar geblieben war, ordentlich weggepackt unter den Säumen ihres Alltagslebens. Er hatte sie nie geöffnet. Hatte Amy nie gefragt, was darin war. Er war nie neugierig genug gewesen, bis zu dem Tag, an dem seine Frau verschwand.
    Sie war so unglaublich pink, selbst im Dunklen.
    Er hob den Deckel.
    Er sah Amy.
    Am nächsten Morgen um elf Uhr brach Max Morris in Arthur Rooks Apartment ein, nachdem er, da Arthur keinen seiner Anrufe entgegengenommen hatte, mit einer Kreditkarte so
lange an der Tür herumgenestelt hatte, bis diese aufging, doch nur um das winzige Apartment, das er nie wirklich betreten hatte, durchwühlt anzutreffen. Ausgeweidet. Die Tür des Kühlschranks offen, dessen Motor keuchte. Im Flur und auf dem Schlafzimmerboden verstreutes Papier. Eine Spur leerer Reisetaschen und Bündel, die an abgeworfene Häute erinnerten, führten vom Flurschrank ins Schlafzimmer, wo auf einem Bett voller Kleidungsstücke ein leerer Fleck von der Größe eines großen Koffers Max verriet, dass Arthur gepackt hatte und geflohen war. Arthur Rook würde es nie erfahren, aber Max, der ein klein wenig in ihn verliebt war (er konnte es nicht ändern, noch nie war ihm jemand begegnet, der so arglos war), würde alles so gut er konnte wieder aufräumen. Würde die Kleider zusammenlegen und in Schubladen verstauen oder auf Bügel hängen. Er würde Arthurs Mobiltelefon auf dem Boden des Wohnzimmers entdecken und die Verletzung, dass Arthur keinen seiner vielen Anrufe angenommen hatte, gleich nicht mehr als so schlimm empfinden. Er würde die Blätter ordentlich auf dem Küchentisch stapeln und den Kühlschrank schließen, aber nicht ehe er die Milch (vermutlich schlecht) weggeschüttet hatte. Das Blut im Badezimmer würde er lassen. Beim Anblick des Katzengeschirrs auf der Theke käme ihm die Vermutung, dass Arthur Amys Katze mitgenommen hatte. Dann würde er sich für all seine Bemühungen ein lauwarmes Bier genehmigen und die Polizei anrufen, sich ins Wohnzimmer setzen und auf ihr Eintreffen warten und dabei ein Foto von Arthur und der verstorbenen Amy Rook studieren: wie sie aneinandergekuschelt an irgendeinem Strand saßen und der Wind Amys Haar über beider Gesichter peitschte. Und Max würde hoffen, dass dieser merkwürdige, stille Ausreißerfreund, wohin auch immer er gegangen sein mochte, seinen Weg wieder nach Hause zurückfinden möge.
    Aber Arthurs Zuhause existierte nicht mehr. Seine Geister hatten ihn gerufen und ihm gesagt, wohin er laufen sollte.

2 Freaks und Seelenverwandte
     
    Oneida Jones war ein Freak. Darüber ließ sich nicht streiten. Das stand absolut fest. Und war Konsens sowohl bei ihren Klassenkameraden als auch bei der Bevölkerung von Ruby Falls im Allgemeinen, aber Oneida musste erst zwölf Jahre alt werden, um die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass sie es lieber annehmen als sich dagegen auflehnen sollte. Ihre Klassenkameraden hielten sie für einen Freak wegen ihrer gewaltigen krausen Mähne und der dunklen
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