Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bilder von dir: Roman (German Edition)

Bilder von dir: Roman (German Edition)

Titel: Bilder von dir: Roman (German Edition)
Autoren: Kate Racculia
Vom Netzwerk:
in einer Stadt der Untoten.
    »Er möchte einen Double-Double und eine Portion Pommes Animal Style.«
    Es war die Stimme eines Mädchens hinter ihm: kräftig, klug und selbstsicher. Und sie fuhr fort. »Ich möchte einen Two-by-Three und einen Neapolitan Shake.«
    Die Stimme trat neben ihn und lächelte, und der einsame Beobachter, der so lange unsichtbar geblieben war, wurde endlich wahrgenommen.
    Wahrgenommen von einem schönen Mädchen – einer Frau. Vielleicht fünfundzwanzig. So groß wie er, mit glatten aschblonden Haaren, weit geöffneten Augen und breiten Schultern. Sie hatte einen geometrischen Körper, ein Mix aus Winkeln und Flächen und Kanten, bis auf ihre Brüste – große Brüste, die sie, wie Arthur, der sie gleichzeitig anerkennend musterte, sich vorstellen konnte, vermutlich jahrelang unter Sweatshirts und überweiten Flanellhemden versteckt hatte. So wie sie sich jetzt gab, wirkte es neu und ungeübt, als hätte sie erst vor Kurzem gelernt, sich damit wohlzufühlen. Doch sie hatte es gelernt und hatte es gut gelernt. Arthur lächelte sie an wie ein Mann, dem man seinen letzten Wunsch gewährte. Die Maschinerie um sie herum begann wieder zu surren, und er öffnete den Mund, aber es kam noch immer nichts heraus.
    »Keine Ursache«, flüsterte sie.
    Und so lernte Arthur Rook Amy Henderson kennen. Amy, die sich mit ihm an einen Tisch in der Sonne setzte, die ihm den Unterschied zwischen einem Double-Double und einem Flying Dutchman erklärte und ihm dann mit ihrer linken Fingerspitze einen Klacks Ketchup vom Mundwinkel wischte. Die ihm beibrachte, wie man sich im Verkehr zurechtfand, wie man überlebte, wie man sich in den bekloppten Lebenswillen von L. A. verliebte – und diese Stadt mit ihrer Entschlossenheit, allein um ihrer oberflächlichen Existenz willen zu existieren, romantisch zu finden und nicht als letzte Wahnvorstellung eines Idioten im Endstadium abzutun. Die ihm beibringen würde, sich in sie zu verlieben. Die seine Freundin und seine Geliebte und dann seine Frau wurde, ihm ein Zuhause gab, die Leben aus Metall und Gummi und Drähten zu schaffen verstand, um damit ein paar Filmsequenzen zu füllen, und die an einem Freitagmorgen Anfang Oktober um 7:48 Uhr von demselben Finger, mit dem sie ihm den Ketchup von den Lippen gewischt hatte, zehntausend Volt durch ihre beiden Herzkammern schicken würde.
    Amy, die auf der Stelle tot war.
    Amy, die Arthur Rook mit zweiunddreißig Jahren zum Witwer machte.
    »Hey, Arthur, dein Telefon.« Umgeben von Schülern wies Max mit einer kurzen Zucken seines Kopfes auf Arthurs Mantel, der über einen offenen Zubehörkoffer drapiert lag. »Es klingelt schon die ganze Zeit wie verrückt.«
    Arthur stellte seinen leeren Kaffeebecher ab und klappte sein Mobiltelefon auf. Er hatte zehn Anrufe verpasst.
    Unter den zehn verpassten Anrufen war nur eine einzige Nachricht, draufgesprochen von Amys Boss, Stantz. Sein wirklicher Name war Ray Bittleman, aber als Fan von Ghostbusters wollte er von allen Stantz genannt werden – alle, mit denen Amy zusammenarbeitete, verehrten mindestens einen Film, als wäre es eine Religion. Filme liebten sie alle, Punkt, aber es gab doch immer einen Film, der über allen anderen stand. Der von Ray Bittleman war Ghostbusters .
    »Arthur, es tut mir so leid – oh mein Gott, Arthur, es tut mir so leid«, lautete Stantzens Nachricht. »Ruf mich an. Ruf mich auf … auf diesem Telefon, unter dieser Nummer an, ich konnte deine Nummer nicht finden, also habe ich sie auf … Amys Telefon gesucht. Ruf mich sofort an. Wo bist du?«
    Arthur war kalt. Eiskalt.
    Seine Fingerspitzen waren taub, als er Amys Nummer wählte. Ihr Bild tauchte auf dem winzigen Display seines Telefons auf: Amy mit Ray Harryhausen, der wie ein Pelzkragen über ihre Schulter drapiert lag – ein sehr lebendiger, stocksaurer Pelzkragen.
    Warum benutzte Stantz Amys Telefon?
    »Arthur!«, schrie Stantz. »Arthur, ich – ich weiß nicht, wie ich es dir sagen soll.«
    Rays Stimme brach. Ray weinte.
    »Es war ein Unfall«, sagte Stantz. »Es war einfach nur ein blöder Unfall, ein blöder …«
    Arthur hörte ein hohes Winseln. Das Geräusch vibrierenden Kristalls.
    Arthur lag voll bekleidet und zugedeckt im Dunkeln im Bett. Er hatte noch immer seine Turnschuhe an, und sein Mund schmeckte metallisch. Er konnte sich nicht daran erinnern, dass Max ihn nach der Arbeit zu Hause abgesetzt hatte. Er konnte sich nicht erinnern, Harryhausen gefüttert zu haben. Da er die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher