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Bilder von dir: Roman (German Edition)

Bilder von dir: Roman (German Edition)

Titel: Bilder von dir: Roman (German Edition)
Autoren: Kate Racculia
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Auto schieben.«
    Dani ermahnte sie, still zu sein. »Warum sollte ich darüber Scherze machen?«, flüsterte sie.
    Also stemmte Oneida ihre Füße in den Kies und schob den Wagen von hinten an. Die Motorhaube stand tatsächlich im perfekten Winkel zur drakeschen Einfahrt, und sobald die Vorderreifen des Camry auf einer der wenigen geteerten Straßen von ganz Ruby Falls landeten, ließ Dani den Motor an. Er brummte. Oneida sprang durch die Beifahrertür in den Wagen und betete, dass keiner sie gehört hatte, betete aber zugleich, dass jemand sie gehört hatte, dass dieser Jemand aus dem Haus gerannt käme, mit einer Bratpfanne oder einem Gewehr fuchtelte und sagte: Ihr dummen Kinder, was macht ihr da? Geht doch während der normalen Besuchszeiten hin. Schau seiner Familie ins Gesicht und sag, dass es dir leidtut, die Ursache all dessen zu sein. Wie eine Erwachsene. Wie eine Erwachsene, Oneida .
    Aber sie war keine Erwachsene. Jedenfalls jetzt noch nicht; sie musste sich immer daran erinnern, dass der Glaube, sie sei erwachsen und wisse mehr als die meisten Erwachsenen, sie noch lange zu keiner Erwachsenen machte. Sie überlegte, ob sie jemals erwachsen genug sein würde, um sich wie eine Erwachsene zu fühlen. Sie fragte sich, ob Mona sich wie eine Erwachsene fühlte (zweifelhaft), ob Arthur Rook es tat, ob Sherman und Anna es taten, und sogar Bert. Oder ihre Mutter, Amy.
    Sterben, bevor man erwachsen war – eine größere Tragödie konnte Oneida sich nicht vorstellen. Keinen größeren Verlust, keine größere Ungerechtigkeit. Sie hoffte, dass Amy, bevor sie starb, ganz erwachsen geworden war.
    »Ich denke, wir sind in Sicherheit«, sagte Dani und schaltete den CD -Spieler ein. »Mist«, sagte sie. »Ich habe gar keine CD s dabei. Ständig sage ich Dad, dass er einen iPod-Adapter braucht …«
    Aber woran sollte sie es erkennen? Wäre es nicht möglich, dass man erst kurz bevor man starb, erkannte, dass man erwachsen war? Oneida stellte sich vor – und es überraschte sie, dass sie an den Tod denken konnte, sich den Tod vorstellen konnte, ohne vor Angst zu erstarren –, dass die letzten bewussten Momente eine sich unendlich ausdehnende Sekunde dauerten und einem bestätigten, einem beantworteten (gut oder schlecht), welche Art von Mensch man gewesen war. Und das öffnete einem die Augen, brachte Erkenntnis und Klarheit.
    Ach verdammt, sagte sie sich und lachte tatsächlich, weil so viel düsterer Humor darin steckte. Das wäre doch schön, oder .
    Sie würde Eugene fragen müssen. Würde ihn fragen müssen, was er gedacht, was er in diesem Bruchteil einer Sekunde empfunden hatte.
    Die Fahrt nach Syracuse verlief ohne Zwischenfälle, ruhig und gesellig. Dani fand einen Oldie-Sender und sie hörten sich eine Reihe von Songs an, die Hits waren, bevor sie geboren wurden. Die weiße Kugel des Dome, des überdachten Footballfelds der Universität, tauchte am Horizont als eine tief hängende Wolke aus Metallrippen und Stoff auf. Eugenes Krankenhaus befand sich in der Nachbarschaft des Dome, der Universität, auf dem Hügel mit allem anderen.
    Dani zog ihr Ticket aus dem Parkautomaten in derselben Parkgarage, auf die Oneida, wie sie sich erinnerte, in jener Nacht, die ihr bereits ein ganzes Leben zurückzuliegen schien, mit Arthur zugelaufen war. Die Schranke hob sich und Dani fuhr darunter durch und parkte schief auf dem ersten leeren Platz ein, den sie sah. Ihre Schritte hallten in dem leeren Parkhaus. Oneida, die in ihren Arztklamotten noch immer fror, hatte das Gefühl, in einen absurd realistischen Traum gerutscht zu sein. Die sie umgebende Luft wirkte flüssig, still und schwer, es war viel zu still für eine lebendige Stadt. Immerhin war es noch nicht Mitternacht, und sie befanden sich in der Nähe der Universität – war außerdem nicht erst am letzten Wochenende Halloween gewesen? Sollten nicht überall Leute herumrennen, Lärm machen, laut und albern sein und einen von dieser fürchterlich massiven Stille ablenken? Sie querten die Straße in einem beleuchteten, verglasten Fußgängerüberweg – wie Hamster, fiel Oneida dazu ein, wie Nagetiere, die sich einschlichen. Die über der Aufzuglobby schwebenden Leuchtstoffröhren summten monoton, und hier mischte sich ein schwacher chemischer Geruch in die Stille, der Oneida an Heftpflaster und Plastik erinnerte. Sie warteten auf den Fahrstuhl, der sie in den vierten Stock hinaufbringen sollte. Dani hatte vorher im Krankenhaus angerufen und herausgefunden, dass
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