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Bilder von dir: Roman (German Edition)

Bilder von dir: Roman (German Edition)

Titel: Bilder von dir: Roman (German Edition)
Autoren: Kate Racculia
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Beerdigungen ihrer Eltern nach Hause gekommen war, in beiden Fällen waren ihre Knochen schwer und kalt wie Granit gewesen, und dann nach Oneida in ihrem Zimmer sah: die alte blaue Decke anhob, um ihr Gesicht zu sehen, rosa und warm, das bereits wie eine Miniatur des Gesichts von Monas verschwundener Freundin aussah. Beide Male flüsterte Mona in ihr schlafendes Ohr ein Versprechen: dass sie sie nie verlassen würde. Dass sie zu Mona gehörte. Du gehörst zu mir, hatte sie gesagt , du gehörst zu mir, und ich werde dich immer lieben. Ich werde dich nie verlassen. Ich werde dich immer brauchen .
    Auf den Tag, an dem Oneida aufhören würde, sie zu brauchen, hatte sie sich nie vorbereitet.
    Wobei Mona sich auf ihre Versicherungspolice verlassen hatte, ihr die Wahrheit vorzuenthalten. Denn danach würde Oneida immer verlangen, auch wenn es ihr gar nicht bewusst war. Und es war zugleich das eine, was Mona immer ausspielen konnte: die Wahrheit, die letzte Trumpfkarte. Aber die hatte nun Arthur ausgespielt, und Mona war wütend und erschrocken und erleichtert und schämte sich ihrer Feigheit – sie war immer zu feige gewesen – zu handeln. Sie hatte nur gelernt, eine Situation anzunehmen oder sich ihr zu verweigern, wenn sie bereits darin verwickelt war. Hatte nicht gewusst, wie man sich selbst ein Leben schafft.
    Wie Amy es getan hatte.
    Auf dem Südparkplatz standen ein paar Autos, aber der an die Aula grenzende Nordparkplatz war leer. Was gut war, wie Mona überlegte, so konnte kein Zeuge sie von dem abhalten, was sie vorhatte – was sie auch schon vor vielen Jahren mehrmals getan hatte. Es gab eine alte Metalltür mit direktem Zugang zum Bereich hinter der Bühne, eine Tür, die in gut dreißig Jahren nicht ausgetauscht worden war und deren Schloss einem geschickt eingesetzten Schraubenzieher noch genauso leicht nachgab, wie Mona das in Erinnerung hatte.
    Der Geruch – oh, der Geruch . Nach Staub und Schimmel und alten Polstern, nach Teenagern und Zucker und Schweiß. Er war so durchschlagend, so vertraut, dass Mona die Luft anhalten musste. Ihre Nase brannte und ihre Augen tränten, und als sie die Tür hinter sich schloss, war alles nur noch Geruch. Aber der Geruch war nichts im Vergleich zum Anblick eines Ortes, den Mona seit einem halben Leben nicht mehr aufgesucht hatte: Seit ihrer eigenen Abschlussfeier war sie zu ein paar Schulfeiern von Oneida noch ein paar Mal hier gewesen, aber hier , auf der leeren Bühne, wo nur die schweren Vorhänge Zeuge ihres Vorbeigehens waren, nie mehr. Es war anders. Es war eine völlig andere Erfahrung, wenn man allein im Dunklen auf der Bühne stand – ja, es war merkwürdig und aufregend, aber versteckt in den Schatten fühlte man sich auch sicher.
    Oben auf dem Dachboden. Hoch über der Bühne, als würdest du in die Wolken fliegen , pflegte Amy zu sagen. Weg von der Welt .
    Mona schaltete genügend Lichter an, um ihren Weg zu sehen und zog sich an der an die Wand geschraubten Leiter hoch. Sie war auf diesem Dachboden nur ein paar Mal gewesen, spürte aber, dass sich nichts verändert hatte, der notwendige Kleinkram lag dort noch immer verstreut, dazu Schaufensterdekorationen für imaginäre Orte und Menschen. In der hinteren Ecke stand ein vollgestopfter Pappkarton mit Kostümen, aus dem Ärmel und Hosenbeine herausquollen, und als sie diesen beiseiteschob, befand sich darunter die Falltüre – genau, wo sie sein sollte – und darin – genau dort, wo sie sein sollten – lagerten Amys Filme. Fast ein Dutzend schmaler Spulen steckten ordentlich neben Amys zuverlässiger Super 8. Mona kniete sich in den Staub, legte ihre Hände an ihre kalten Metallhüllen und lächelte. »Sie sind noch immer hier, Amy«, rief sie ins Dunkel. »Jetzt habe ich sie. Sie sind in Sicherheit.«
    Nachdem Amy weggegangen war, hatte Mona nichts über den Verbleib der Filme gewusst und offen gestanden war es ihr auch egal gewesen. Schließlich vermisste sie Amy, nicht ihre Monster, und sie hatte diesen Ort ganz vergessen, diesen sicheren hohen Zufluchtsort, bis sie Amys Postkarte las. Da war es ihr sofort eingefallen: Amys größter Stolz waren die von ihr geschaffenen Ungeheuer, die Filme, die sie gedreht hatte, und diese Filme verwahrte sie der Sicherheit halber auf dem Theaterspeicher. Dort projizierte sie sie auf die großen Leinwandflächen – für sich, für Mona und für Ben Tennant, wie Mona vermutete –, und natürlich würde Mona wissen, wo sie nachsehen musste. Doch obwohl
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