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Bilder aus der Anderwelt

Bilder aus der Anderwelt

Titel: Bilder aus der Anderwelt
Autoren: Simon R. Green
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auf „Mr. Taylor ist als erster dran, weil er am gefährlichsten ist, und bitte keine weitere Widerrede! Es gibt nichts, was Sie noch sagen könnten, was ich nicht bereits tausend Male gehört hätte."
    Bettie durchforstete ihre Gedanken nach etwas, das sie noch vorbringen konnte, als ich ihren Arm packte und sie sanft, aber bestimmt aus dem Weg schob. „Ich verstecke mich hinter niemandem", sagte ich. „Das habe ich nicht nötig, Sie vorlauter, selbstverliebter Furz!"
    „Mr. Taylor ..."
    „Warum haben Sie den Kardinal getötet? Ich mochte ihn! Er war für niemanden eine Gefahr."
    „Er hatte den Glauben verraten", antwortete der Entferner. „Er war ein Gauner. Er war ein Schandfleck auf Gottes Erde."
    „Ich habe schon schlimmere Dinge als Sie von meiner Sohle gekratzt", schnaubte ich.
    Ich griff nach meiner Gabe und sah durch den Entferner hindurch. Es war überhaupt nicht schwer herauszufinden, mit wem er seinen Pakt geschlossen hatte, und ich zeigte ihm die Wahrheit. Nicht mit Gott. Nicht im mindesten. Ich führte dem Entfernet vor Augen, wer in Wirklichkeit die Fäden im Hintergrund gezogen hatte, und er schrie wie eine Seele, die man soeben in die Hölle gestoßen hatte. Er taumelte auf der Bühne zurück un d schüttelte ungläubig und voller Selbsthass seinen Kopf. Bis schließlich nicht mehr damit zurechtkam, was er in Wahrheit war, seine Macht gegen sich selbst wandte und verschwand.
    Das war das Ende des Entferners.
    Ich hatte ihn nicht liquidieren wollen. Er hatte wirklich eine Menge Gutes getan, aber auch Schlechtes und vieles, was fragwürdig war. Doch niemand ist verwundbarer als Personen, die glauben, besser als der Rest der Welt zu sein. Seine Existenz war auf einer Lüge aufgebaut gewesen. Er war betrogen worden, und ich wusste, von wem. Ich starrte in die Schatten an der Rückwand der Bühne.
    „Sie können jetzt rauskommen. Zeigen Sie sich, Mr. Gaylord du Rois, Chefredakteur des einmaligen Unnatural Inquirers ."
    Bettie schnappte schockiert nach Luft, wenig mehr als ein unterdrücktes Quieken, als du Rois ins Licht trat, um uns gelassen zu mustern.
    „Gut gemacht, Taylor. Sie sind wirklich so gut, wie die Leute sagen."
    Du Rois war ein hochgewachsener, bejahrter Herr, der in einen vornehmen edwardianischen Anzug gekleidet war. Seinen Rücken hielt er gerade und den Kopf stolz erhoben, und trotz seines erkennbaren Alters war nicht die geringste Schwäche in ihm auszumachen. Sein Gesicht war von einem Netzwerk an Falten überzogen, und kein Schmuck zierte seine Hände, wenn man einmal von den Altersflecken und dem widerspenstig abstehenden H aar absah. Seine tiefliegenden, kalten grauen Augen schienen nie in blinzeln. Sein Mund war wie ein feuchter, farbloser Schnitt in se inem Gesicht. Seine Hände waren vertrocknete Klauen, aber s i e sahen immer noch so aus, als könnten sie gewaltigen Schaden anrichten. In ihm brannte eine brutale, gnadenlose Energie. Er stra hlte Entschlossenheit und Trotz aus, als könne er den Tod mit bloßer Willenskraft auf Distanz halten. Er senkte den Kopf leicht in Richtung der Stelle, an der der Entferner sich hatte verschwinden lassen.
    „Verdammter Possenreißer. Er war immer so unbeweglich. Er da chte tatsächlich, dass seine Macht von Gott stammte, nur um si ch in seinen Vorurteilen und seiner Paranoia zu suhlen. Es macht fast den Anschein, als könne er es nicht ertragen zu erfahren, dass ich der Puppenspieler hinter ihm war - und das immer schon.
    Sein wahrer Gott muss wirklich eine Enttäuschung für ihn gewesen sein. Aber das hat keine Bedeutung. Ich hätte ihn ohnedies bald ersetzen müssen. Er machte sich tatsächlich Illusionen, unabhängig zu sein. Wie auch immer, ich werde wieder einen passenden Idioten finden."
    „Ich verstehe nicht", druckste Bettie herum. „Sie sind der Chefredakteur? Sie sind schon immer der Chefredakteur gewesen und ... der Entferner war in Wahrheit Ihre Schöpfung? Weshalb?"
    „Die liebe Bettie", meinte du Rois herablassend. „Immer die Reporterin. Ständig versuchst du, die richtigen Fragen zu stellen. Ja, meine Liebe, ich bin dein Chefredakteur und bin es schon immer gewesen. Der Inquirer gehört mir und nur mir, und das schon seit über einhundert Jahren. In dieser Zeit habe ich viele Entferner erschaffen, um mir zu Diensten zu sein. Sie halten meist nicht lange. Mit ihrem kleinen, engstirnigen Schwarzweißdenken und ihrer starren Einstellung schaffen sie es kaum, mit den sich fortwährend ändernden Grautönen der
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