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Bilder Aus Dem Berliner Leben

Titel: Bilder Aus Dem Berliner Leben
Autoren: Julius Rodenberg
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lorgnettieren und Zigaretten zu rauchen; denn auch die Zigaretten hatten damals noch etwas Fremdartiges und Distinguiertes. Das Schauspiel des Flanierens, ein ungewohntes in dem arbeitssamen Berlin jener Tage, bot sich einzig an Kranzlers Ecke, welche nachmals, zehn, zwanzig Jahre später die Bewunderung der Welt erregten und den Dank ihres Vaterlandes gewannen. Mit Stolz blicken wir heut auf den preußischen Offizier, das Muster ebenso sehr der Tapferkeit und Mannszucht, als des ritterlichen Anstandes und höflichen Betragens. Damals, in dem unklaren Gefühl eines Tatendranges, dem nirgends Aussicht auf Befriedigung ward, in einer schiefen Stellung allem gegenüber, was nicht Militär war, gefielen sie sich in dem Ton einer durch nichts gerechtfertigten Überhebung, die jedoch in der Tat nur die Maske der inneren Verstimmung, der Unbefriedigung war. Was ihnen fehlte, war die Gelegenheit, sich zu zeigen, der Krieg, der Erfolg; und alles dies haben sie seitdem in reichstem Maße gehabt. Seitdem aber auch lungern sie nicht mehr an Kranzlers Ecke; sie haben andere, würdigere Felder der Tätigkeit gefunden, und wir gestehen mit Vergnügen, daß es, abgesehen von ihrer militärischen und wissenschaftlichen Tüchtigkeit, keine liebenswürdigeren, feingebildeteren Männer gibt als die preußischen Offiziere, bis zum jüngsten Leutnant hinunter. Man frage dochnur unsere Damen, wer ihnen auf dem Trottoir ausweicht oder im Pferdebahnwagen Platz macht. Ich will nichts gegen unsere bürgerliche Jugend sagen; aber in der Schule der Höflichkeit könnte sie viel von den Offizieren lernen, und nicht nur, wenn es sich um junge, schöne Damen handelt. Was diese betrifft, so will ich nicht behaupten, daß für sie der Gardeleutnant nicht derselbe geblieben, der er einst an Kranzlers Ecke war; aber sie hat sich geändert, die Ecke. Von beiden Seiten, Linden und Friedrichstraße, flutet jetzt ein solcher Menschen- und Wagenstrom um sie her, daß der Übergang, wenn auch aus anderen Gründen, gefährlich ist, und nicht für junge Damen allein. Von Flanieren, von Lorgnettieren keine Rede mehr – denn wer auch vermöchte nur einen Augenblick stillezustehen in dieser immerwährenden, ungeheueren Bewegung? Aber sie sieht sich nicht übel an, wenn man an einem der Fenster im Innern der Konditorei Platz genommen hat; wenn aus der Tiefe der Friedrichstraße Militärmusik heraufklingt und die Wachtparade mitten in diesem Menschengewühl im Frühlingssonnenschein vorüberzieht nach dem Königlichen Palais, während weit unten im Schatten zwischen den hohen Giebeln und reich ornamentierten Fronten der Zentralhotelgegend auf mächtigem Viadukt ein Zug der Stadtbahn dahingleitet. Altes und neues Berlin – welch eine Kluft scheint sie zu scheiden, und wie nahe berühren sie sich doch in diesen letzten, übriggebliebenen Winkeln! Es sind immer noch dieselben Räume, doch ein anderes, bescheideneres Publikum verkehrt jetzt darin. Der würdige Paterfamilias führt am Sonntag seine Gemahlin und Tochter hierher; der behäbige Berliner Bürger, wenn er mit seiner Alten Unter die Linden kommt, traktiert sich und sie in dieser Konditorei mit Eisbaisers und Likören; hier und dort ein Beamter in gesetzten Jahren, der sein Pastetchen verzehrt, und zuweilenein paar des Handelstands beflissene Jünglinge, die doch auch einmal sehen wollen, wie es bei Kranzler hergeht – in summa keine sehr amüsante Gesellschaft, aber eine ruhige, diskrete. Kranzler hat auch darin etwas von seinen alten konservativen Gewohnheiten bewahrt, daß man in den Zimmern nicht rauchen darf.
    Wenn man Tabaksqualm und Lärm, Wandgemälde, vergoldete Plafonds, Spiegelscheiben, Kristallkronen, Glühlicht, Springbrunnen, Palmengruppen und Hunderte von Menschen haben will, so braucht man sich nur wenige Schritte weiter in das Café Bauer zu bemühen. Noch sind es keine fünfzehn Jahre, daß ich in einer Parallele zwischen »Wien und Berlin« das dortige Café unserer Konditorei als etwas durchaus Fremdes gegenüberstellte. Diese kurze Zeit indessen hat genügt, uns mit der Institution bekannt zu machen und mehr als das. Wir haben jetzt unsere Wiener Cafés überall, in jedem Stadtteil, fast in jeder Straße, wohin wir blicken. Wir haben ihn jetzt, den behaglichen Luxus, der nicht viel kostet, aber auch nicht viel einbringt; den guten Kaffee, Zeitungen so viel wir wollen. Die trefflichen Engadiner, die gleichsam im Gefolge von Friedrichs des Großen Siegeseinzügen einst nach Berlin kamen,
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