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Bilder Aus Dem Berliner Leben

Titel: Bilder Aus Dem Berliner Leben
Autoren: Julius Rodenberg
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Freund kaum noch erkennen kann; und auch sein gülden Gewand hat sich unterdes in eintöniges Braun verwandelt, als ob der arme König noch einmal erkennen solle, daß »alles eitel«. Dicht nebenan war die Stehelysche Konditorei, bis im Jahre 1876 auch sie geschlossen und das Haus abgerissen ward.
    Ihre Glanzzeit lag jenseits meiner eigenen Erinnerung; ja, sie begann in einem Lokal, welches nicht einmal mit dem von mir noch gekannten identisch war, übrigens nicht weit davon entfernt, an der Ecke der Jägerstraße. Hier in dieser alten Konditorei sah E. T. A. Hoffmann – denn wo könnte man im ehemaligen Berlin gehen, ohne seinem Schatten zu begegnen? – silberne Löffel tanzen und die Kaffeekannen ein Ave Maria beten; und hier karikierte Heine den Herrn von Raumer. Der Umzug in die späteren Räume fand 1839 oder 1840 statt; und auch sie waren gewissermaßen schon durch ihre Vergangenheit geweiht. Es hatte sich in Stehelys Konditorei die Tradition erhalten, und sie wurde bis zuletzt geglaubt, daß in dem, was nachmals unter dem Namen der »roten Stube« berühmt war, einst Wolfgang Amadeus Mozart logiert habe, bei jenem Besuche Berlins im Winter 1790, wo König Friedrich Wilhelm II. dem Komponisten des »Don Juan« die Stelle des Kapellmeisters an seinem Opernhaus anbot mit einem Gehalt von 3000 Talern. Worauf Mozart, der als Kaiserlicher Kammerkomponist nicht mehr als 800 Gulden bezog, mit seinem echt österreichischen Herzen und Wiener Akzent geantwortet haben soll: »Kann ich meinen guten Kaiser verlassen?« Sie starben beide bald, der Kaiser Joseph noch in demselben Winter, Mozart im folgendenJahr, und das Ganze mag eine Sage sein, die sich vielleicht hier, in dem Bereiche von E. T. A. Hoffmanns Phantasiestücken, lokalisiert – in diesem Umkreis, wo »Ritter Gluck« ihm im Jahre 1809 begegnet und er jener Aufführung des »Don Juan« beigewohnt hat, die er selber als »eine fabelhafte Begebenheit« bezeichnet. Doch, als ob etwas von diesem Geiste der alten Stätte geblieben sei: man fand bei Stehely stets eine Fülle musikalischer Zeitschriften, namentlich die Schumannschen, so daß man sich wirklich manchmal wie im Bann der »Kreisleriana« fühlte mit den Wolken des Rauchzimmers nebenan, in denen sich die verwandten Erscheinungen Callot-Hoffmanns und Robert Schumanns zu grüßen schienen. Ein schärferer Wind freilich hatte hier einmal geweht; hier in der »roten Stube« – wie gut ich sie noch gekannt, denn immer wieder aufs neue wurde sie rot tapeziert – war das Lager und Hauptquartier der »Vormärzlichen« und gleichsam das Rütli des jungen Deutschlands gewesen; von hier aus hatten die »Rheinische Zeitung« und die »Hallischen Jahrbücher« ihr schweres Geschütz und die liberalen Blätter der Provinz und des deutschen »Auslandes« ihre Korrespondenzen bezogen; diese Wände sahen sie, die zwischen einer Revolution und der anderen, der von 1830 und der von 1848, aufflatterten wie die Sturmvögel, unruhige Geister, einst Bundesgenossen, deren Wege nachmals weit auseinandergingen, Karl Gutzkow und Theodor Mundt, Ludwig Buhl, Max Stirner, Edgar und Bruno Bauer – »Politik allein, so schnattern sie laut, und essen Baisers bei Stehely« – wie es in einer Parabase der »Politischen Wochenstube« von Robert Prutz heißt. Hier, in dem nämlichen Jahre 1848, ward von Zabel, Rutenberg und Mügge die »National-Zeitung« gegründet; hier aber auch, beim Kaffee des Nachmittags oder beim Eiergrog des Abends (für welche beide Getränke Stehely berühmtwar) konnte man die Professoren Lachmann, Dirichlet und Dove sehen. Die Zeiten und der Ton in Stehelys Konditorei waren ruhiger geworden, als ich zuerst dahin kam; und ich brauche nur die Augen zu schließen, so stehen die drei Stüblein wieder vor mir, wie sie damals waren, und ich sehe noch einmal die Gestalten, die darin zu meiner Zeit umherwandelten.
    Ich sehe den alten Munk, den Reporter der »Spenerschen Zeitung« – beide lange tot, der Reporter und die Zeitung. Der alte Munk war eigentlich immer in Stehelys Konditorei; wann man auch kam, man traf ihn, morgens, mittags und abends, umhergehend, aus einem Zimmer in das andere, hinhorchend auf jedes Gespräch, dankbar für jede Neuigkeit, die man ihm erzählte. »Wir werden die Notiz morgen geben«, sagte er, sein Taschenbuch hervorziehend und ruhig, immer im Gehen, schreibend. Aber wenn der Morgen kam, so war die Notiz entweder nicht da oder in einer solchen Verkürzung, daß man sie zwischen den
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