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Bilder Aus Dem Berliner Leben

Titel: Bilder Aus Dem Berliner Leben
Autoren: Julius Rodenberg
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guten Berlinern gewordenen Nachkommen derer, die einst Obst pflanzten und Blumen zogen in den sonnigeren Gefilden der Orange.
    Ähnlich wie jetzt uns dieses freundliche Villenterrain erscheint, mag zu ihrer Zeit den Leuten am Anfang des vorigen Jahrhunderts der Streifen Landes erschienensein, der, zwischen Linden und Spree, gleichfalls das Ende der damaligen Stadt bezeichnete. Die Häuser lagen auch hier in Gärten; Bäume, von denen einige sich noch erhalten, standen in den Straßen, und diese waren kürzer, als sie heute sind. Obwohl die Linden sich längst über sie hinaus erstreckten, führte doch jenseits der Kleinen Wall-, der heutigen Schadowstraße, keine mehr hierher. Die Dorotheenstraße war damals wirklich noch die »letzte Straße«, wie wir abwechselnd mit »Hintergasse« sie genannt finden, und ebenso war, in der Mitte zwischen der letzten Straße und den Linden, die Mittelstraße, was ihr Name sagte. Die Dorotheenstraße, welche diese Bezeichnung zum ehrenvollen Gedächtnis an die Begründerin der Dorotheenstadt erst 1822 erhielt, hatte nicht entfernt ihre heutige Länge. Nicht weiter als zur Friedrichstraße reichte sie gen Osten, und wo sie sich westwärts nunmehr breit und vornehm nach dem Tiergarten öffnet, war sie sackgassenartig gesperrt. Keine Neue Wilhelmstraße damals, keine Marschallbrücke. Von den Linden her sperrte das sogenannte Pontonhaus den Weg, von König Friedrich Wilhelm I. 1736 erbaut und zur Aufbewahrung von Schiffbrücken bestimmt. Zu Friedrichs II. Zeit ward es als Holzmagazin der Artillerie benutzt, erstreckte sich aber mit seinen Höfen immer noch bis an die Spree, dem Schiffbauerdamm gegenüber. Wo sich in diesen Höfen Artilleriewerkstätten und ein Militärkrankenhaus befanden, erhebt sich gegenwärtig die neue Kriegsakademie; und wo heute die beiden Paläste des physiologischen und physikalischen Instituts stehen, in deren einem unser großer Physiologe du Bois-Reymond, in deren anderem unser großer Physiker von Helmholtz residieren, da stand ein Schlachthaus, und immer noch nach diesem heißt ein kleiner Durchgang die Schlachthausgasse, welche hinter jenen Gebäuden am chemischen Laboratorium und technologischenInstitut vorbei nach der Spree führt. Über diese vermittelte den spärlichen Verkehr mit dem jenseitigen Ufer, dem Schiffbauerdamm, ein hölzerner Steg, eine sogenannte Laufbrücke. Sonst gab es hier, noch zu Nicolais Zeit, keine Häuser mehr, sondern nur Gärten von der letzten Straße her und sumpfigen Wiesengrund an der Spree. Zwischen beiden, den Gärten und den Wiesen, zog sich ein schmaler Damm, welcher sich des angenehmen Namens »Katzenstieg« erfreute, während der ganze Strich bis zum Wasser hinab mit dem nicht minder schönen des »Moderlochs« geziert war. Ein üppiger Sumpfblumenflor gedieh hier im Sommer, und Schlittschuhläufer tummelten sich darauf im Winter; während der Katzenstieg des Nachts an beiden Seiten mit einer Gattertür abgeschlossen ward. So war es hier vor hundert Jahren; und heute? Wo das Moderloch war, da wölbt sich nun das Glasdach über dem Bahnhof der Friedrichstraße; wo das eine Gattertor des Katzenstiegs sich schloß, da steht das Centralhôtel, und wo das andere sich schloß, steht das Continentalhôtel, dessen linker, an die Dorotheenstraße gelehnter Flügel zugleich die Stelle bezeichnet, wo die Maison d'Orange gestanden. Der Katzenstieg selber aber, zwischen dem Bahnhof und den Hotels, hat sich in die Georgenstraße verwandelt, so genannt nach einem verdienten Bürger, Mitglied der französischen Kolonie, Benjamin George, der hier gegen Ende des vorigen und im Anfang dieses Jahrhunderts die ersten Häuser baute und dessen Andenken man noch mehr ehren würde, wenn man seinen Namen richtig aussprechen wollte – was indessen nicht geschieht.
    Aber wenn man zwischen jenen kolossalen Gebäuden hindurch und zur Spree hinabschreitet, wird man noch etwas von dem amphibienhaften Charakter, der hier ehemals herrschte, wiedererkennen. Es ist nicht ganz mehrdie unberührte Gegend des vorigen Jahrhunderts; das unsrige dringt schon von allen Seiten herein. Aber in einem gemessenen Tempo, zögernd, als ob es den früheren Besitzer einen Augenblick noch in der Täuschung seines Rechtes erhalten wolle. Kein gewaltsames Ringen, wie wir es meist in Berlin wahrnehmen, sondern ein letztes Verweilen und stilles Verschwinden. Auf holperigem Pfade, hier ein Stück ausgetretenen Rasenbodens, dort ein Stück schlechtgepflasterten Sandes,
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