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Bienensterben: Roman (German Edition)

Bienensterben: Roman (German Edition)

Titel: Bienensterben: Roman (German Edition)
Autoren: Lisa O'Donnell
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rüberkommt. Es ist halb so wild. Mick ist okay. Wir kommen gut klar. Das einzige Problem zwischen uns im Moment ist Gene. Ich hab ihm erzählt, er wäre mit Izzy in die Türkei geflogen, da ist er total ausgerastet. Hat mit den Fäusten aufs Lenkrad gehämmert. Mick lässt gern mal den Beschützer raushängen. Er hat sich dann irgendwann wieder eingekriegt und gesagt, Gene wäre ein Arsch und würde eine Tochter wie mich nicht verdienen, und dann hat er mir einen Bonus gezahlt und gemeint, ich soll die Augen offen halten, falls Gene wieder auftaucht. »Kein Problem«, hab ich gesagt, ist es ja echt nicht.
    Micks Frau ist Friseuse, Julie heißt sie. Sie hat gerade ein Baby gekriegt. Mick sagt, es schläft nie. Als er mich angestellt hat, hat er ihr irgendeine rührselige Geschichte erzählt, in der ich voll wie der Sozialfall rüberkam. Jetzt schenkt sie mir immer Klamotten, die sie nicht mal gewaschen hat, die riechen alle noch nach ihrem Puffparfüm, und dann guckt sie mich so schräg an und fragt: »Alles okay, Schätzchen? Geht’s dir gut?«
    Schreckliche Tussi.
    Mick sagt, Julie hat sie nicht mehr alle. Ist unausgeglichen. Wenn die rauskriegt, dass wir vögeln, bringt sie uns beide um, sagt er.

Lennie
    Kein Tag vergeht, ohne dass ich daran denke. Ein alter Mann wie ich, der im Park nach Strichern Ausschau hält. Und als Vorwand den Hund mitnimmt.
    Er war schon früher einmal auf mich zugekommen, der junge Bursche, ich hielt ihn für neunzehn. Ich habe zuerst Nein gesagt, aber als ich mich umdrehte und ging, wusste ich genauso gut wie er, dass ich zurückkommen würde. Dabei war ich nicht einmal auf Sex aus. Ich wollte nur eine Stimme hören. Irgendeine Stimme.
    »Wichsen vierzig, Blasen fünfzig und das andere hundert«, sagte er.
    Ich habe eine Weile nichts geantwortet und wollte, dass er es noch einmal wiederholt. Aber das tat er nicht. Er wusste, dass ich ihn schon beim ersten Mal verstanden hatte. Blasen, habe ich gesagt. Dann leuchtete plötzlich diese Taschenlampe auf, der Stricher rannte weg und Bobby auch, und ich saß da neben der Rutsche auf einer Kinderschaukel, mit offener Hose, vor aller Welt nackt. Der Polizist war angewidert. »Zieh dir die Unterhose hoch, du alte Drecksau.« Dann belehrte er mich über meine Rechte und führte mich zum Polizeiwagen. Da sah ich ihn dann. Ein junges Bürschchen um die sechzehn, von wegen neunzehn, und dann erfuhr ich, dass er erst fünfzehn war, ein Jugendlicher mit Mascara wie ein Mädchen, das ganze Gesicht schwarz verschmiert, so als hätte er geweint, aber dafür war er nicht der Typ, nein, er war nass geschwitzt vom Rennen. Sommersprossen hatte er, kleine orangefarbene Sommersprossen, und eine so ungewohnte Traurigkeit im Blick, dass mir ganz kalt wurde. Der Junge sah mich nicht einmal an, er starrte nur in den Park und behandelte mich wie Luft. Der Polizist auf dem Beifahrersitz nannte ihn Sandy, er kannte ihn sogar ganz gut. Erkundigte sich nach seiner Mutter. Der Junge war für die Polizisten kein Unbekannter, höchstwahrscheinlich ein Junkie. Nicht, dass das bei meiner Verteidigung geholfen hätte.
    Der Anwalt meinte, der Richter sei milde gewesen. »Die meisten Männer in Ihrer Lage wandern in den Knast. Sie können sich glücklich schätzen.« Er hatte dem Richter erzählt, ich sei ein armseliger alter Schwuler mit schlechten Augen, und das zog, in erster Linie, weil es stimmt. Der Richter hat mir zweihundert Sozialstunden aufgebrummt, musste mich aber in das Sexualstrafregister eintragen, weil der Junge minderjährig war. Die eigentliche Strafe waren natürlich die Nachbarn. Sie haben mir immer wieder Beschimpfungen an die Tür gesprüht, und deine Schwester war auch nicht gerade erbaut. Sie kommt mich seitdem nicht mehr besuchen. So etwas kann man eigentlich niemandem erklären, und ihr schon gar nicht. Ich weiß nicht einmal, wie ich es dir erklärt hätte, einem Connaisseur des Diskreten; dir war es am liebsten, die Leute hielten uns für Freunde, was im Alter leichter wurde, aber ich konnte einfach nicht glauben, dass du mich im Krankenhaus nicht als nächsten Angehörigen angegeben hast. Ich musste Sylvie bitten, dort anzurufen und zu sagen, ich wäre ein Verwandter, sonst hätten sie mich gar nicht zu dir gelassen. Noch auf dem Papier hast du mich verleugnet, hast du dich selbst verleugnet. Zum Glück war Sylvie einverstanden, dass ich alles behalte. Sogar das Geld von der Versicherung hat sie mir überlassen. Ich habe ihr die Manschettenknöpfe
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