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Bevor ich verbrenne

Bevor ich verbrenne

Titel: Bevor ich verbrenne
Autoren: Gaute Heivoll
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hatte sich bereits ernsthaft Panik verbreitet. Der Wagen fuhr hinauf zur Kirche, doch dann verschwand er und niemand wusste, wo er geblieben war. Stunde um Stunde warteten alle. Minute für Minute. Man fürchtete das Schlimmste. Wenn nur die Kirche stehenbleibt, dachte man. Wenn nur die Kirche stehenbleibt. Man sagte es nicht laut, aber alle dachten es. Das Allerschlimmste wäre ein Brand der Kirche. Daher hielt man Wache. Nicht nur an der Kirche, sondern in der ganzen Gegend. Die Leute saßen auf den Treppen vor ihren Häusern und horchten. Mein Vater saß auch vor dem braunen Haus in Kleveland, während ich darinnen schlief. Er hatte sein Gewehr dabei, Großvaters Büchse; erst später habe ich gesehen, wie er es benutzte, allerdings hatte er es in dieser Nacht nicht mehr geschafft, sich Munition zu besorgen. Aber trotz allem war es ein Gewehr, mit Munition oder nicht. Das Wichtigste war, dass Wache gehalten wurde. Niemand ahnte ja, wer der Brandstifter war. Wer da plötzlich aus der Dunkelheit auftauchen konnte. Seit dem Krieg hatte man so etwas nicht mehr erlebt. Den einen oder anderen im Ort erinnerte es an den Krieg. Selbst diejenigen, die zu jung waren, um den Krieg erlebt zu haben, dachten an den Krieg. Alle haben das erzählt. Der Krieg war zurückgekommen.
    Am Montagabend war alles vorbei, knapp vierundzwanzig Stunden nach dem Brand bei Olav und Johanna. Noch immer schrieb man den 5 . Juni, kurz vor Mitternacht, nach einem dreistündigen Verhör. Zuvor war Alfred mit einer schwerwiegenden Information zu dem Bezirksobmann Knut Koland gekommen, der mit der Kripo und Ermittlern aus Kristiansand das Hauptquartier in dem alten Saal der Kommunalverwaltung im Herrenhaus von Brandsvoll eingerichtet hatte. Einer schwerwiegenden und gleichzeitig befreienden Information. Alfred musste sie überbringen, nicht Ingemann, obwohl der vermutlich seit Langem ahnte, wie alles zusammenhing. Doch als alles ans Licht kam, konnte er einfach nicht selbst gehen. Weder Ingemann noch Alma. Alma, die zu diesem Zeitpunkt im Bett lag, außerstande, sich zu bewegen.
    Es erfolgte die Verhaftung, und dann ging alles sehr schnell.
    Die letzte halbe Stunde vor Mitternacht fuhr man in der ganzen Gemeinde von Haus zu Haus. Vier Polizeiwagen und eine Reihe Privatautos. Anklopfen war überflüssig, denn in der Regel saß jemand draußen auf der Treppe und hielt Wache. Das Auto hielt oder fuhr langsam vorbei, und man schrie aus dem Fenster.
    Er ist gefasst!
    Die Neuigkeit wurde weitergetragen. Im nächtlichen Dunst der Dunkelheit ging man über die Felder zum Nachbarn, gab sich zu erkennen und berichtete, dass man ihn gefasst habe. Man sagte, wer es war, dann blieb es einige Sekunden still, bevor der andere sich gefasst hatte.
    Er?
    Alle wurden informiert, auch der Domorganist Sløgedal, der sich ein Stück von seinem Haus in Nerbø entfernt versteckt hatte und mit geladenem Gewehr wartete. Er hat mir später von diesem Abend erzählt. Dass er hell und himmlisch war, dunkel und erdnah, wirklich und irreal. Alles gleichzeitig. Die Polizei wusste, dass Sløgedal bei seinem Haus saß, sie hatten ihm das Gewehr gegeben, und nun überbrachten sie ihm gern die Neuigkeit. Endlich konnte er aufstehen, das Gewehr wieder abgeben und fragen: Wer war es?
    Zu uns nach Hause in Kleveland kam John. Er stand auf dem Rasen vor dem Schlafzimmer meiner Eltern und flüsterte, bis Mutter erwachte. Er flüsterte ihren Namen, bis sie sich angezogen hatte und auf die Treppe trat, damit auch er die drei magischen Worte sagen konnte, die in dieser Nacht von Mund zu Mund gingen: Er ist gefasst.
    So verbreitete es sich rasend schnell in alle Richtungen. Die Neuigkeit gelangte noch in die mitternächtliche Nachrichtensendung von Radi o NRK. Die Polizei hatte die Nachrichtenagentur NTB informiert und gebeten, die Meldung so schnell wie möglich zu veröffentlichen, um die Gemüter zu beruhigen. Doch als sie um Mitternacht im Osloer Stadtteil Marienlyst verlesen wurde, wusste es bereits die ganze Gegend.
    Er war gefasst.
    Alle konnten zu Bett gehen, nach und nach wurden die Lichter gelöscht, doch die Türen hielt man noch immer verschlossen, man konnte ja nicht sicher sein. Nach dieser Geschichte konnte man nie wieder sicher sein.
    In einem Haus nach dem anderen begaben sich die Menschen zur Ruhe. Endlich konnten sie schlafen, am nächsten Morgen erwachen und hoffen, alles sei nur ein Traum gewesen.
    Aber es war kein Traum.
    Die Zeitung Fædrelandsvennen brachte den Fall in
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