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Bevor ich sterbe

Bevor ich sterbe

Titel: Bevor ich sterbe
Autoren: J Downham
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Garderobe. »Schönen Abend noch, Mädels!«, rufen sie. Wir brauchen nicht zu zahlen. Wir sind total in.
    Nachdem wir unsere Mäntel abgegeben haben, gehen wir zur Bar und holen uns zwei Colas. Zoey schüttet sich aus dem Flachmann, den sie in ihrer Handtasche hat, Rum rein. Das machen alle an ihrem College, sagt sie, weil man so beim Ausgehen spart. Nicht zu trinken ist eine Regel, an die ich mich halten werden, weil mich Alkohol an die Strahlentherapie erinnert. Einmal habe ich mich zwischen zwei Behandlungen mit Sachen aus Dads Hausbar volllaufen lassen, und jetzt lässt sich das beides in meinem Kopf nicht mehr auseinanderhalten. Alkohol und die Erinnerung an totale Körperverstrahlung.
    Wir lehnen uns an die Bar, um einen Überblick zu bekommen. Es ist schon ganz schön voll, auf der Tanzfläche vibriert es von Leibern. Lichtkegel jagen über Brüste, Ärsche, die Decke.
    Zoey sagt: »Ich hab übrigens Kondome. Wenn du welche brauchst, die sind in meiner Tasche.« Sie berührt meine Hand. »Alles in Ordnung?«
    »Jap.«

    »Du kriegst keine Panik?«
    »Nee.«
    Ein ganzer Raum gepackt voll Samstagabendfieber ist genau, was ich wollte. Ich hab mit meiner Liste angefangen, und Zoey macht mit. Heute Abend werde ich die Nummer eins abhaken – Sex. Und ich werde nicht sterben, bevor alle zehn Punkte abgehakt sind.
    »Guck mal«, sagt Zoey. »Wie wär’s mit dem?« Sie zeigt auf einen Knaben. Er ist ein guter Tänzer, bewegt sich mit geschlossenen Augen, als wäre er der Einzige hier, als würde er nichts außer der Musik brauchen. »Der kommt jede Woche. Keine Ahnung, wie er mit Kiffen hier drin durchkommt. Süß, oder?«
    »Ich will keinen Suchti.«
    Zoey sieht mich stirnrunzelnd an. »Scheiße, was soll das denn heißen?«
    »Wenn er auf Dope ist, wird er sich nicht an mich erinnern. Einen Besoffenen will ich auch nicht.«
    Zoey knallt ihren Drink auf den Tresen. »Du erwartest doch hoffentlich keine große Liebe! Erzähl mir nicht, dass das auf deiner Liste steht.«
    »Eher nicht.«
    »Gut, denn ich sag’s dir nicht gern, aber die Zeit arbeitet gegen dich. Komm, jetzt lassen wir’s krachen!«
    Sie zieht mich mit auf die Tanzfläche. Wir machen uns nah genug an den Kiffer ran, dass er uns bemerken muss, und dann tanzen wir.
    Und es ist in Ordnung. Es ist wie in einem Urwaldstamm, wie wir uns alle im selben Tempo bewegen und atmen. Die Leute gucken, checken sich gegenseitig ab. Das kann mir keiner wegnehmen. An diesem Samstagabend hier zu tanzen, in Zoeys rotem Kleid die Blicke eines Jungen auf mich zu lenken. Manche Mädchen erleben so was nie. Nicht mal so viel.

    Ich weiß, was als Nächstes passieren wird, weil ich massenhaft Zeit zum Lesen hatte und die Abläufe kenne. Der Kiffer wird näher kommen, um uns abzuchecken. Zoey wird ihn nicht ansehen, aber ich schon. Ich werde den Blickkontakt eine Sekunde zu lange halten, und er wird sich zu mir vorbeugen und mich nach meinem Namen fragen. »Tessa«, werde ich sagen, und er wird das wiederholen – das harte »T«, die beiden Zischlaute, das hoffnungsvolle »a«. Ich werde ihm mit einem Nicken bestätigen, dass er richtig gehört hat, dass ich es mag, wie hübsch und neu es sich aus seinem Mund anhört. Dann wird er die Arme ausbreiten, die Handflächen nach oben, als würde er sagen: Ich ergebe mich, was kann ich bei so viel Schönheit machen? Ich werde scheu lächelnd den Blick senken. Das verrät ihm, dass er sich vorwagen kann, dass ich nicht beißen werde, sondern die Spielregeln kenne. Dann wird er mich in seine Arme schließen und wir werden zusammen tanzen, mein Kopf an seiner Brust, und ich werde seinen Herzschlag hören – den Herzschlag eines Fremden.
    Aber so läuft es nicht. Drei Dinge hab ich nämlich vergessen: Dass Bücher nicht real sind. Und dass ich keine Zeit zum Flirten habe. Zoey hat es nicht vergessen. Sie ist das Dritte, das ich vergessen habe. Und sie mischt sich ein.
    »Das ist meine Freundin«, ruft sie Kifferknabe über dem Musikpegel zu. »Sie heißt Tessa. Bestimmt würde sie gern mal an deinem Joint ziehen.«
    Lächelnd reicht er ihn uns rüber und nimmt uns beide ins Visier, lässt seinen Blick über Tessas lange Haare wandern.
    »Das ist reines Gras«, flüstert Zoey. Was immer es ist, es fühlt sich dick und beißend hinten in meinem Rachen an. Ich muss davon husten und fühle mich leicht benebelt. Ich reiche ihn Zoey weiter, die tief inhaliert und ihn dann ihm zurückgibt.
    Jetzt bewegen wir drei uns zusammen, während die
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