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Betrügen lernen

Betrügen lernen

Titel: Betrügen lernen
Autoren: W Bartens
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Speiseplan. Das war in dem Wochenendpaket inklusive. Es schmeckt nicht viel anders als die spanische Küche, ist aber deutlich anstrengender, denn zu jeder Dattel und jedem Weinblatt erklärt der ostdeutsche Kellner ausführlich die aphrodisierende Wirkung der erlesenen Speisen.
    »Wachteleier in Weinblättern eingelegt«, flötet er. »Das steigert die Durchblutung an den richtigen Stellen.«
    Dazu schaut er so vielsagend, dass man ihn sofort im nächsten Ayurvedapool ertränken möchte und mit Lassi nachspülen.
    »Ziegenkäse in Honig und Mandelkruste«, tiriliert er beim nächsten Zwischengang erneut. »Macht laut phönizischer Überlieferung elastisch und biegsam«, sagt er, und diesmal kichert er dabei.
    Die Phönizier müssen es permanent miteinander getrieben haben, wenn nur die Hälfte seiner Verheißungen stimmt.
    Da Mirko aus Zittau aber jedes Mal, wenn er davon spricht, dass die Feige oder die eingelegten Oliven »die Manneskraft stärken« oder sie »vor Lust zergehen lassen«, uns aufmunternd zuzwinkert, spüren wir keinerlei Änderung der Libido oder andere anregende Wirkungen. Einen größeren Lusttöter als ihn kann man sich schwer vorstellen.
    Wir gehen ins Hotelzimmer, schauen uns erleichtert an und finden trotz der kulinarischen Anpreisungen von Mirko ohne Komplikationen eine gemeinsame Ebene. Es ist nicht sensationell, aber das ist ja gerade das Schöne, diese vertraute Beiläufigkeit, dieses Sich-gegenseitig-schon-lange-Kennen und Sich-nichts-beweisen-Müssen. Ich habe ein beruhigendes Gefühl und seit Langem mal wieder die Ahnung, dass jetzt endlich, endlich alles gut ist. Ein Gefühl der Innigkeit. Auch spüre ich eine gewisse Dankbarkeit gegenüber den Phöniziern und dem Wachteleierkoch.
    Clara streckt sich wohlig, schaut mich lange an, wie man es bei einem unerwarteten Liebesgeständnis vielleicht tut. Würde mich nicht wundern, wenn sie mir jetzt um den Hals fällt.
    Dann fragt sie mich: »Was würdest du eigentlich sagen, wenn ich dich betrogen hätte, wenn ich einen anderen gehabt hätte?«
    »Meinst du das im Ernst?«, frage ich.
    Sie lacht.

Zigaretten holen
    Erst ist es Spaß, dann wird es ernst. Alex erfährt nach und nach, dass Clara eine Nacht bei Raffael verbracht hat. Er weiß nicht recht, wie er damit umgehen soll. Natürlich ist er massiv gekränkt. Aber da ist auch noch dieses andere Gefühl. Er ist fast erleichtert. Schließlich hat er sie ja in Gedanken permanent und in Paris um ein Haar auch tatsächlich betrogen. Meist ist ihm nur irgend etwas dazwischengekommen. Leider oder glücklicherweise – er weiß noch nicht, wie er das bewerten soll.
    Beleidigt ist er allerdings, dass es ausgerechnet dieser Raffael ist, mit dem sich Clara eingelassen hat. Ein halbseidener Flirttrainer, der Alex’ Masche geklaut hat und mit süßen Tierbildern seine Vortragsreisen bestreitet. In seinem früheren Leben war Steinberg sogar mal in der Forschung tätig und hat sich als Konkurrent von Alex aufgespielt. Und heute verkündet er genau das Gegenteil von dem, was Alex mit jahrelangen, seriösen Untersuchungen belegen kann. Und damit hat er auch noch Erfolg, seine Vorträge sind regelmäßig ausverkauft, besonders Frauen scheinen diesem Scharlatan auf den Leim zu gehen und sich so gut von ihm verstanden zu fühlen, wenn er vom Grundprinzip der Untreue faselt. Ob er ihr verzeihen kann, dass sie sich gerade mit diesem Hochstapler abgegeben hat, weiß er nicht.
    »Musstest du mir das wirklich antun«, sagt Alex ernüchtert. »Dieser Kretin kennt doch nicht mal den Unterschied zwischen einem Pavian und einem Mandrill. Und mit so einem hast du was gehabt, ich fasse es nicht.«
    Alex macht Clara ein schlechtes Gewissen, das kann nie schaden. Und es tut gut, obwohl er sie ja in seiner Fantasie permanent hintergangen hat. Er fühlt sich ein bisschen wie Michael Douglas in dem Film »Ein perfekter Mord«. Darin versucht der Hauptdarsteller seine von Gwyneth Paltrow gespielte Frau umbringen zu lassen. Der teuflische Plan scheint anfangs aufzugehen, und besonders fies ist die Szene, in der die Ehefrau ihren Mann verdächtigt, der Drahtzieher des missglückten Mordver suchs zu sein. Sie hat ja recht, aber im Film kann Douglas ihre Bedenken zunächst noch zerstreuen. Sie schämt sich dafür, ihrem Mann misstraut zu haben. Aber er zeigt Verständnis und verzeiht ihr die Anschuldigung. Wie er sie großmütig tröstet, obwohl der Zuschauer weiß, dass er ihr auch weiterhin nach dem Leben trachtet, das ist
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