Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Betrügen lernen

Betrügen lernen

Titel: Betrügen lernen
Autoren: W Bartens
Vom Netzwerk:
hinab. Mein Hals tut entsetzlich weh. Ich will etwas sagen, kann aber nicht. Ich bringe nur ein hilfloses Krächzen hervor. Die Infusionen in meinem Arm tun weh. Eine Krankenschwester schaut zur Tür herein und redet sofort in diesem Duzi-duzi-Kinder deutsch auf mich ein: »Sie müssen jetzt gaaaaanz gaaaanz viel schlafen«, sagt sie. »Das ist das Allerallerwichtigste. Schön schlafen. Den Rest sehen wir dann schon, jaaaa?«
    Ich will etwas zu ihr sagen, will fragen, wann ich hier rauskann und dass sie mich bitte schön wie einen Erwachsenen behandeln soll und nicht wie ein grenzdebiles Kleinkind. Ich kann aber nichts sagen, es kommt wieder nur Gekrächze aus den schmirgelpapiertrockenen Tiefen meiner Kehle.
    Clara redet stattdessen mit mir. Sie ist sehr sanft und sehr verständnisvoll. Was hat sie, steht es wirklich schon so schlecht um mich? Plötzlich, vor ein paar Tagen, hat sie nachts einen Anruf aus Paris bekommen, sagt sie. Ich sei zusammengebrochen, offenbar eine allergische Reaktion, ein anaphylaktischer Schock. Die Ärzte dort haben angekündigt, mich nach Deutschland zu transportieren. In Paris haben sie alles auf die Beine gestellt. Notarzt, Blaulicht, tatütata, Krankenhaus, das volle Programm.
    »Allergisch, ich, das gibt es doch gar nicht. Wogegen denn?«, flüsterte ich.
    »Obst, haben sie gesagt, Obst«, antwortet Clara. »Was auch immer du in Paris probiert haben magst, es ist dir nicht sehr gut bekommen.«
    Oje, ich habe offenbar überempfindlich auf die biologisch und ökologisch unbedenklichen Massageprodukte auf Valeries Haut reagiert. Für mich waren das einfach zu viele Reize, zu viel der Aufregung.
    Verbotene Früchte im Übermaß.

Ungeahnte Nebenwirkungen
    Alex muss sein Leben ändern. Immer wieder passieren ihm Missgeschicke, die beim Arzt enden. Nicht in den Tropen oder bei gefährlichen Sportarten, sondern in heimischen Gefilden, und zwar meistens dann, wenn er sich gerade für andere Frauen interessiert. Immer ist er der Unglücksrabe.
    Wie damals, als er für seine Forschung einen Preis verliehen bekam. Er war stolz, auch wenn Clara darüber mäkelte, dass der Preis undotiert war. Ein Ehrenpreis eben. Aber die Jury bestand aus einem Dutzend Kollegen, und das war für Alex mehr wert als ein Preisgeld. Enttäuscht war er allerdings von der Zeremonie. Es gab eine Urkunde, die in einem unverbrüchlichen, matt lackier ten Rahmen verankert war. Der Rahmen hatte keine Abdeckung aus Glas, aber dafür einen stabilen Metallrand – genauso wie die Rahmen in den Toiletten auf Autobahnparkplätzen mit den mattierten Plakaten, auf denen für Kachelöfen geworben wird.
    Als die Urkunde im Laufe des Abends unter den Tisch fiel und ein Stuhlbein eine Weile darauf stand, hielt der Rahmen das – vermutlich aufgrund der autobahnparkplatzklogestählten Ausführung – auch aus. Alex bemerkte zunächst nichts davon, denn er unterhielt sich gerade intensiv mit einer seiner Kolleginnen. Völlig harmlos, das Interesse war rein fachlicher Natur. Im Laufe des Gesprächs kam er ihr allerdings immer näher und entdeckte auch Seiten an ihr, die ihn über das Berufliche hinaus faszinierten. Sie wollten das Lokal wechseln und unge stört sein. Als Alex den Rahmen aufheben wollte, hatte er jedoch nicht mehr bedacht, dass der noch immer unter dem Stuhlbein festklemmte. Inzwischen saß jemand auf dem Stuhl, was den Rahmen in fiese kleine Metallteile splittern ließ, als Alex ihn hochheben wollte. Der Blutverlust war erheblich. Die schweren Damasttischdecken waren zumindest an dieser Seite des Tisches rot eingefärbt.
    Auch früher wurde Alex oft vom Pech verfolgt, wenn er sich auf erotischen Erkundigungen befand. Die Rückschläge fingen schon früh an. Während der Schulzeit mit 14 Jahren durfte er zum Schüleraustausch nach Gloucester. In dem kleinen Ort in Westengland wurden später viele Leichen im Garten eines Arztes ausgegraben. Alex war bei einer Gastfamilie untergebracht, der Vater war Arzt. Als Alex Jahre danach davon erfuhr, hat er nie genau wissen wollen, ob sich das Grauen bei seiner Austauschfamilie abgespielt hatte, es gab schließlich viele Ärzte in Gloucester, die über Haus und Garten verfügten. Das Haus war seltsam verwinkelt, die Architektur ließ viele Leichenverstecke zu. Von dem Zimmer, in dem Alex untergebracht war, musste er drei hölzerne Treppenstufen zum Bad nehmen, zu dem seine und noch eine andere Tür vom Flur aus führten.
    Immer wenn Alex morgens wach wurde, war das Badezimmer
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher