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Betrügen lernen

Betrügen lernen

Titel: Betrügen lernen
Autoren: W Bartens
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hatte zwei Argumente: Erstens ist die Bedeutung, die eine Affäre hat, nie so groß wie die Enttäuschung, die sie beim anderen auslöst. Zweitens führt eine solche Beichte zu einer gemeinen Leidensumkehr: Der Seitenspringer ist fortan die Last und das schlechte Gewissen los, wenn er sich offenbart hat. Der Betrogene trägt die Schmach hingegen sein restliches Leben lang als Verletzung mit sich herum.
    Alex beschloss, trotz aller guten Vorsätze, noch eine Weile auf seine Oma zu hören.

Flutschfinger
    Ich habe mich wieder etwas erholt. Aus dem Krankenhaus bin ich zwei Tage später wieder entlassen worden, aber anschließend war ich noch eine Woche krankgeschrieben. Die Ruhe tat mir gut. Ich habe viel geschlafen, viel gelesen und viel mit Rebecca und Miriam gespielt. Seit dem Krankenhausaufenthalt ist Clara erstaunlich liebevoll zu mir. Ich soll mich schonen, sagt sie immer wieder. Schatz hier, Schatz da, kann ich noch etwas für dich tun? Entwickelt sie jetzt endlich die Fürsorge, nach der ich mich jahrelang so gesehnt habe?
    Heute kommt sie allerdings erst spät nach Hause. Ich bin immer noch ziemlich mitgenommen, die letzten Ereignisse haben mir zugesetzt, auch psychisch. Ich sitze abgelebt in der Küche und beschließe, auf sie zu warten, auch wenn es spät wird. Dabei esse ich alle restlichen Mon Chéri auf, die noch in der Packung sind. Die süß vergorenen Früchte machen meine Zunge leicht pelzig, aber ich esse noch eine Packung, bis mir endlich ein bisschen anders wird. Der klebrig-eklige Geschmack füllt jetzt meine ganze Mundhöhle aus, und ich weiß nicht mehr genau, ob mir übel ist oder ob ich schon betrunken bin.
    Clara kommt nach Hause. Hat sie Mitleid? Nach mehreren Wochen, die wir wieder notdürftig nebeneinan derher gelebt haben, führt ihre Anteilnahme und ihre Tagesform heute zu der raren Konstellation, dass sie trotz meines piemontkirschigen Mundgeruchs von sich aus körperliche Nähe sucht.
    »Erhol dich erst mal von deinem allergischen Schock«, sagt sie, »du brauchst jetzt Zeit.« Die letzten Tage hatte sie schon Kuchen für mich geholt, Kaffee ans Bett gebracht und sogar die Krümel vom Laken gewischt.
    Ich kann es kaum glauben, aber nachdem ich mir zuletzt schon wie ein Rehapatient vorgekommen war, der von fünf Krankenschwestern gleichzeitig umsorgt wird, will sie heute sogar mit mir in die Badewanne. Um die Uhrzeit! Das ist nun eine ziemlich klare Ansage, und es ist offensichtlich, was daraus werden soll. Unfassbar. Was sie allerdings nicht bedacht hat: Männer können nicht baden, jedenfalls nicht mit Genuss.
    Männer können nur duschen. Schnell, schnell, wir sind ja nicht zum Spaß hier, ist ihre Devise bei der Körperreinigung. Sie sind zu unruhig und werden in der Wanne leicht hektisch oder denken an den Wasserverbrauch oder die negative Kohlendioxidbilanz ihres verschwenderischen Tuns. Frauen hingegen zelebrieren das Bad. Sie stellen Kerzen auf, machen die große Schaumsause, hören Musik und nehmen sich dann die langstielige Wurzelbürste, um sich den Rücken zu massieren oder ihn massieren zu lassen. Dann schlafen sie gerne ein.
    Als Mann wäre man in der Badewanne höchstens richtig, wenn man sich in dieses zigarrenförmige badewannentaugliche Mini-U-Boot verwandeln könnte. In einem der Filme von Pedro Almodóvar geht es ganz am Anfang auf Tauchstation und erkundet dabei auch die gefährlichen Riffe und Regionen am Körper einer Frau. Es fährt immer wieder darauf zu und dann doch haarscharf an ihrem persönlichen Marianengraben vorbei.
    Es gibt manchmal ja auch Zwischenfälle in der Badewanne, diese Risiken hat man als Mann natürlich im Kopf. Viele beleibtere Mitmenschen klemmen sich in der Badewanne ein, ihr welliges Fleisch geht eine innige Verbindung mit der Wanne ein, und sie kommen erst wieder frei, wenn die Feuerwehr sie befreit. Ein Elend.
    Wir sitzen also in der Wanne, und was bin ich froh, dass ich kein Dicker bin. Clara sitzt bald schon auf meinem Schoß und hat ihre Beine um meine Hüfte geschlungen. Es wogt hin und her zwischen uns, und manchmal entweichen dabei diese schmatzenden und schlurfenden Geräusche, die wie Fürze klingen. Das kommt von der nassen Haut, die sich an der Badewannenwand festsaugt, wenn die Masse unserer Körper das Wasser verdrängt. Jetzt gurgelt und schmurgelt es wieder hin und her, sie bewegt sich – und ich komme nicht mehr los von ihr.
    Nicht im übertragenen Sinne, sondern tatsächlich. Na, das haben wir gleich, Moment. Ruckeldiru.
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