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Betrügen lernen

Betrügen lernen

Titel: Betrügen lernen
Autoren: W Bartens
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erfroren sind, kommt sie. Sie geht – eingewickelt in ein warmes, flauschiges Handtuch – am Beckenrand vorbei und lächelt mich hintergründig an.

Abgeschieden
    Alex ist gerade von seiner Dienstreise zurückgekommen. Euphorische Stimmung sieht anders aus. Das verunglückte Rendezvous in der Sauna zehrt an ihm, er ist innerlich verwundet, aber Clara kann er davon natürlich nicht erzählen oder sie gar um Trost bitten. Sie steht im Schlafzimmer vor dem Schrank und zieht sich gerade um. Er geht hin, haucht ihr einen Begrüßungskuss auf die Wange. Sie steht dort in Unterwäsche, und sie trägt das Seidenhemd, das er so gerne mag.
    »Ich muss gleich los, mach mal bitte Platz.«
    »Wohin geht’s denn?«
    »Ich will noch zu diesem Vortrag über Männer, die freiwillig jeder fleischlichen Lust entsagen.«
    »Oje, ist es das, was du langfristig mit mir planst? Muss ich dazu Vegetarier werden oder mich kastrieren lassen?«
    »Du musst nicht immer alles auf dich beziehen. Wenn man den ganzen Tag mit Männern zu tun hat, die an ihren Potenzschwierigkeiten fast zugrunde gehen und deshalb den Untergang des Abendlandes befürchten, ist es eine wohltuende Abwechselung, auch mal von Männern zu hören, die etwas anderes im Kopf haben.«
    » Ich habe keine Potenzprobleme.« Mit der linken Hand umfasst Alex Clara von hinten. Er greift an ihren Bauch, seine Finger gleiten langsam höher.
    »Vergiss es, ich muss los. Das Essen für die Mädchen steht schon vorbereitet im Kühlschrank, du musst es nur noch warm machen.«
    Alex streichelt Clara am Rücken. Sie duftet nach einer Bodylotion mit Vanille und Kokosmilch. Und sportlich durchtrainiert ist ihr Körper immer noch, trotz ihrer mitt lerweile 39 Jahre, trotz Zwillingsschwangerschaft und Geburt. Er fährt mit dem Finger ihre Wirbelsäule entlang.
    »Lass das doch, ich mag das nicht«, herrscht sie ihn an und schiebt seine Hand unsanft zur Seite. »Du weißt doch, wie billig ich das finde, das sind die primitivsten Männerfantasien.«
    »Autsch«, Alex pustet theatralisch auf die Finger seiner linken Hand.
    »Fehlt nur noch von hinten, in der Küche, während ich die Waschmaschine ausräume. Und stell dich nicht so an. So schlimm war das nun auch wieder nicht«, sagt Clara.
    »Aber ich habe mir gestern die Finger verbrannt«, sagt Alex und schleicht ins Wohnzimmer.
    Die Kinder spielen in ihrem Zimmer, er wird noch ein bisschen lesen. Vielleicht was über Tiere, die vorwiegend als Einzelgänger leben.
    Clara wirft ihm von Ferne eine Kusshand zu, schärft ihm noch mal ein, die Zähne der Kinder gründlich nachzuputzen und sie nicht wie beim letzten Mal nach zehn Sekunden mit der Zahnbürste im Mund schon ins Bett zu lassen. Dann ist sie weg.
    Ruhe. Frieden. Nur ein Mann allein mit sich und seinen zwei Töchtern, die irgendwo in der Wohnung ihr Lil lifee-Album umdekorieren. Miriam und Rebecca spie len gerne miteinander, obwohl sie Zwillinge sind. Seit sie vor ein paar Monaten fünf geworden sind, kann Alex sie immer besser unterscheiden. Beide sind zwar strohblond und haben die gleiche Kurzhaarfrisur und meist auch das Gleiche an. Aber Miriam wird etwas kräftiger und ist inzwischen mindestens einen Zentimeter größer als Rebecca.
    Alex schenkt sich einen Whisky ein, vermutet, dass alles nutzlos ist, hört ein Album von Bob Marley und denkt sich ganz weit weg in eine Hütte hinter den sieben Bergen, wo er allein vom Holzfällen und Fallenstellen leben würde und Pelzhändler sowie ein paar friedliche Eingeborene der einzige menschliche Kontakt wären, den er hätte und brauchte. Keine Frauen, kein Ärger.
    No woman, no cry … Jeder westliche Mann versteht dieses Lied als eine Art Weltformel für die einzig gelin gende Beziehungskonstellation zwischen Mann und Frau: Willst du keinen Stress haben, halte dich für einen Moment von den Frauen fern – und lass diesen Moment ruhig ein wenig länger andauern. Nein, nicht so kurz. Noch länger, dann klappt es vielleicht.
    Aber Bob Marley hat den Song in seinem Pidgin-Englisch als eingängiges Trostlied für betrübte Frauen gesungen und ganz anders gemeint, etwa nach dem Motto: »Nein, Mädchen – weine nicht«, aber diese Botschaft ist nie so recht in der Männerwelt angekommen.
    Alex sieht sich also einsam, aber zufrieden mit sich und der Welt vor seiner selbst gebauten Hütte sitzen, tief in den Wäldern, ein Pfeifchen schmauchend, unten ruht der klare See, aus dem er sich gleich mit der Hand noch ein paar Fische zum Abendessen
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