Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Betrügen lernen

Betrügen lernen

Titel: Betrügen lernen
Autoren: W Bartens
Vom Netzwerk:
Bekannten, der einen kumpelhaft mit Sätzen begrüßt, wie: »Mensch, du hier, lange nicht gesehen, du bist aber alt geworden.«
    Ich fühle mich deshalb ganz wohl mit meinem diskreten Verhalten in der Sauna. Ich setze nicht auf erotische Derbheit, sondern suche das feine Wechselspiel aus Annäherung und Distanzierung, das schon viel Literatur, Musik und Kunst, aber wenig konkrete körperliche Verschränkungen hervorgebracht hat. Ich will zwar nicht zum Minnesang anheben oder einer Dame den Hof machen, aber ein wenig galante Tändelei könnte schon sein, selbst wenn immer weniger Frauen heute noch ein Taschentuch fallen lassen, wenn sie ein Zeichen geben wollen, erst recht nicht in der Sauna.
    Da sitze ich also, allein, melancholisch vor mich hin schwitzend in der besten kulturgeschichtlichen Tradition des zurückhaltenden europäischen Mannes, der weiß, dass seine Zeit schon noch kommen wird. Versonnen betrachte ich den Schweißtropfen, der sich langsam meinen linken Unterarm hinunter abseilt und ziemlich sicher auf dem Oberschenkel landen wird. Es ist schön, mit sich allein sein zu können, denke ich.
    Erst sehe ich sie gar nicht. Das ist zumeist eine gute Voraussetzung, um eine Frau kennenzulernen. Man sig nalisiert wenig Interesse, drängt sich nicht auf. Jetzt sehe ich sie aber doch. Groß, schlank, eher knabenhaft, was eine Umschreibung für kleine, feste Brüste ist. Dunkle kurze Haare, nicht rasiert. Sie schwitzt kaum, aber das sage ich ihr natürlich nicht. Vielleicht liegt es auch daran, dass sie erst höchstens zwei Minuten in der Sauna sitzen kann. Sie lässt kein Handtuch und kein Taschentuch fallen, was ich als untrügliches Zeichen ihres Interesses hätte verstehen können, sondern legt sich einfach auf den Bauch, mittlere Holzbank, Südlage.
    Wir befinden uns in einer sogenannten Heubodensauna. Rund um den Saunaofen ist altes Stroh und Gras in einem hölzernen Verschlag aufgehäuft, und es riecht ein bisschen nach Meerschweinchenkäfig. Ich fühle plötzlich, dass ich sie kennenlernen will. Ich spüre sogar, dass ich sie kennenlernen muss. Ich kann nicht anders. In mir regt sich etwas, und das duldet keinen Aufschub. Ist es Liebe? Ist es Trieb? Ist es Langeweile?
    Ich drapiere mein Handtuch um. Ich will sie nicht offensiv mit meinem Geschlecht anstarren und auch nicht verschämt die Beine übereinanderschlagen, sodass Quet schungen zweiten Grades drohen. Ich lege mich daher lieber ebenfalls auf den Bauch und stütze mich mit den Ellbogen ab. Ich ziehe meinen Bauch ein, damit es nicht so wirkt, als ob er schlaff herunterhänge. Das ist anstrengend, sollte von der Seite aber ganz gut aussehen.
    Mir fällt meine alte Strategie aus jugendlichen Schwimm badtagen wieder ein. Während der Pubertät hatte ich jedes Jahr im Freibad eine Dauerkarte. Lag ein Mädchen neben mir, das ich halbwegs interessant fand, hatte ich eine, wie ich meinte, unfassbar geschickte Taktik entwickelt, um ihr näher zu kommen. Zugleich spielte mein Vorgehen auf die Themenfelder »Bewahrung der Schöpfung« und »Schutz von bedrohten Arten« an, was für uns alle damals sehr wichtig war und viele Frauen heute noch beschäftigt, auch wenn sie gerade nicht im Freibad sind.
    Die Strategie ging so: Ich lag auf dem Bauch und starrte melancholisch in die Ferne. Damals musste ich den Bauch übrigens noch nicht einziehen, damit er sich von der Grasnarbe abhob. Irgendwann, ganz beiläufig, kraulte ich dann mit den Fingern im Gras in ihrer Nähe herum und rupfte ein paar Halme aus. Dann fragte ich meine Begleitung unschuldig und scheinbar gedankenverloren: »Weißt du eigentlich, was die Elefanten machen, wenn sie einen Menschen vor sich liegen sehen, so wie wir beide gerade hier liegen?«
    Meine Gesprächspartnerinnen kannten sich fast nie mit Elefanten aus und zuckten meist mit den Schultern.
    »Sie denken, die Menschen sind tot, und bedecken sie deshalb mit Gras und kleinen Ästen«, sagte ich. »Das ist deshalb die Taktik, die man anwenden sollte, wenn Elefanten auf einen zukommen: einfach hinlegen.«
    Während ich weiter von den Bräuchen der Elefanten erzählte, streute ich nebenbei ein paar Grashalme auf die Mitte ihres Rumpfes, zwischen die beiden Bikiniteile meiner Nachbarin. Manchmal gab ich auch nur etwas Gras in die Vertiefung ihres Bauchnabels. Das kitzelte be stimmt. War es nun Wiesenrispe oder Weidelgras oder jene legendäre Mischung aus beiden Gräsern, die den Rasen in Fußballstadien so widerstandsfähig macht und sicher
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher