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Bestien in der Finsternis

Bestien in der Finsternis

Titel: Bestien in der Finsternis
Autoren: Stefan Wolf
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heran.
    „Willi!“ sagte Tim. Es war
besser, sich keine Blöße zu geben.
    Klößchen setzte den Fuß auf den
Boden.
    Aus der Nähe wirkte Zenkes
Gesicht noch härter und unsympathischer. Er beugte sich über den Zaun.
    Tim konnte seinen Zigarren-Atem
riechen.
    „Ihr habt hier nichts zu
suchen. Ich sage es zum letzten Mal: Haut ab! Haut ab! Ich brauche keine
Maulaffen.“
    „Diese Straße“, sagte Tim, „ist
keine Privatstraße, sondern öffentlich. Wir können und werden hier bleiben,
solange wir wollen. Und im Augenblick wollen wir lange. Daß wir Ihnen unsere
Aufmerksamkeit schenken, liegt zum einen an ihrem flotten Ohrring. Wirklich
schick! Fast so schön wie die Barock-Perlen, die meine Mutter trägt. Zum andern
liegt’s an Ihrer sportlichen Tätigkeit. Wenn Sie die unbeobachtet ausüben
wollen, müssen Sie entweder in den Keller — oder hier Sichtblenden aufhängen.
Denn Blicke sind laut Grundgesetz frei — wie die berühmten Gedanken. Es sei
denn, hier wäre militärisches Sperrgebiet. Aber Ihr Flitzebogen sieht nicht aus
wie ‘ne Abschußrampe, und die Pfeile sind keine Raketen.“
    Karl begann zu lachen.
    Klößchen hob den Fuß, bewegte
ihn in Richtung Zaun, ließ ihn aber auf den Boden zurücksinken. Es war
unbedingt besser, im Recht zu bleiben.
    Zenkes Gesicht veränderte wenig
die Farbe. Nur an den Schläfen traten fingerdick dunkle Adern hervor.
    „Du denkst wohl, du kannst mich
für dumm verkaufen, du Lümmel!“ schrie er. „Na, warte! Euch mache ich Beine.“
    Gleich springt er über den Zaun
und fällt uns an, dachte Tim. Dann wickele ich ihm seinen Bogen um den Hals,
diesem Dieb.
    Er hatte nicht übel Lust, ihm
den Verdacht ins Gesicht zu sagen. Doch das wäre ein Vorgriff gewesen auf
Kommissar Glockners Ermittlungen und bestimmt nicht in dessen Sinn.
    Also beschränkte Tim sich auf
eine verächtliche Miene und streckte ein bißchen den Arm aus, daß dem
Sparstrumpf-Dieb das Spiel der Unterarmmuskeln nicht entgehe, was gewissermaßen
eine Warnung war.
    Aber Zenke hatte sich
umgewandt.
    Denn — vermutlich angelockt von
seinem Gebrüll — kam ein Typ um die hintere Ecke des Hauses.
    Er trug Arbeitskleidung wie
Gärtner oder Rasenmäher, war stabil gebaut und mindestens dreißig. Den Schädel
hatte er sich kahlgeschoren. Seiner Schönheit tat das keinen Abbruch. An der
war nichts mehr zu verderben. In seinem Grobgesicht mit den Wulstlippen fielen
besonders die Fischaugen auf. Sie traten glotzig hervor und waren so freundlich
wie Kriegserklärungen.
    „Otto!“ rief Zenke. „Laß das
Tomatenbeet sein. Hier haste Arbeit. Zeig diesen Misttypen, wo die Straße zur
Stadt führt. Sie belästigen mich.“
    Otto grinste. Auf seinem
Kahlschädel war die Naturkrause etwas nachgewachsen. Er wies mindestens soviel
Haarwuchs auf wie eine durchschnittlich ernährte Ratte.
    Aus dem Mundwinkel sagte Tim
leise: „Wenn der einen von uns anrührt, mache ich ihn bekannt mit meiner neuen
Kung-Fu-Technik. Dann bebt die Landschaft, und der See läuft über.“
    „Wird nicht nötig sein.“
    Karl grinste und blickte in die
Richtung, aus der sie gekommen waren.
    Ein Streifenwagen rollte heran.
    Hinter dem Lenkrad saß ein uniformierter
Polizist. Auf dem Beifahrersitz erkannte Tim Kommissar Glockner. Und im Fond,
natürlich, leuchtete Gabys goldblonder Schopf.
    Ottos Grinsen erlosch. Er schob
seine Beefsteak-Hände in den Overall und latschte hinter das Haus zurück.
    Zenke starrte dem Wagen
entgegen. Unwillkürlich faßte er den Compound-Bogen fester.
    Vielleicht wird er sich gleich
mit Pfeil und Bogen verteidigen, mutmaßte Tim. Wäre mal was anderes — und eine
Zeitungsmeldung wert.
    Als erster stieg Oskar aus,
rannte Tim entgegen und sprang wie üblich an ihm hoch.
    „Seid ihr schon länger hier?“
fragte Gabys Vater.
    Sein markantes Gesicht war
ernst, aber darunter zuckte ein Lächeln.
    Tim verstand die Frage richtig.
Sie hieß im Klartext: Ihr habt doch den Mund gehalten und nicht nach dem Geld
gefragt?
    „Gerade eingetroffen“,
antwortete er. „Wir sehen diesem Herrn beim Bogenschießen zu. Aber er fühlt
sich belästigt. Eben wollte er einen zweibeinigen Wachhund auf uns hetzen. Sie
kommen gerade rechtzeitig, Herr Kommissar, sonst wäre hier irgendwem was
Schreckliches passiert.“
    „Wenn Sie diese Strolche
kennen“, mischte Zenke sich ein, „dann wissen Sie ja, wie rotzfrech die sind.“
    „Ich kenne sie sehr gut“,
erwiderte Glockner. „Der Polizeipräsident mag sie besonders gern —
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