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Bestien in der Finsternis

Bestien in der Finsternis

Titel: Bestien in der Finsternis
Autoren: Stefan Wolf
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wegen
des Geldes“, entschuldigte sie sich. „Mich... erschüttert, daß... jemand so
schlecht sein kann. Und das gleich... beim ersten Besuch.“
    Gaby legte ihr den Arm um die
Schultern.
    „Das enttäuscht. Wir verstehen,
was Sie fühlen. Aber es gibt eben diese und jene Menschen. Manche laden
unentwegt Schuld auf sich und können trotzdem prima schlafen. Denen fehlt das
Gewissen. Das ist die Sorte, aus denen die Kriminellen hervorgehen.“
    „Ich weiß ja, daß es so ist“,
schluchzte die alte Dame. „Aber wie erschütternd, wenn man plötzlich davor
steht.“
    „Als Zenke vor Ihnen stand“,
sagte Tim, „haben Sie ihn sicherlich genau angesehen. Es wäre hilfreich für
uns, wenn Sie ihn beschreiben.“
    „Ja, das kann ich“, nickte sie.
     
    *
     
    Tim drückte aufs Tempo. Die
Reifen liefen heiß. Karl keuchte hinter ihm her. Klößchen verlor ab und zu den
Anschluß. Er schwitzte enorm und vergeudete viel Luft mit ellenlangen Flüchen.
Vorhin hatte er nur auf die Hitze geschimpft. Jetzt bezog er — im Stillen — Tim
mit ein. Hörbar stellte er den Sinn dieser Hetzjagd in Frage.
    Ist ein Wettlauf, dachte Tim.
Stimmt! Weil ich eher da draußen sein will als unser väterlicher Freund, der
Kommissar. Warum? Das Verhör macht er sowieso. Ah, ich weiß. Weil wir zunächst
oder überhaupt nur Zuschauer sind in diesem unseren Fall. Stört mich. Wenn wir
schon nichts selber machen, dann wenigstens die ersten sein vor Ort.
    Während er so dem Grund seines
Antriebs auf die Spur kam, zogen sie eine dreifache Reifenspur durch den Staub
der Zubringer-Straße.
    Sie verließ südwärts die Stadt.
In der Ferne schnitt die Autobahn durch die Ebene. Zur Zeit stand dort alles.
Stau. Sonne blitzte auf Autolack und Scheiben. Hoch über der Verkehrsader
schnatterte ein Polizeihubschrauber. Vielleicht zählte man die Wagen. Oder die
Piloten genossen ihren wolkenfreien Zustand, während die Reisenden unten in
ihren Benzinkutschen köchelten.
    „Ist es noch weit?“ japste
Klößchen.
    „Nicht mehr weit“, erwiderte
Karl.
    Die Straße war schmal und
staubig. Böschungen, die hüfthoch säumten, schützten gegen Wind.
    Tim sah die Spuren von
Autoreifen. Hier mußte mindestens ein Sturm blasen, damit die verwehten.
    Schließlich mündete die Straße
am Nesswangl-See und zog sich hundert Meer am Nordufer entlang, um an einem
Autowende-Platz zu enden.
    Dieses letzte Stück Straße hieß
nun großmäulig An-der-Seeleite. Sie trennte die beiden Grundstücke vom Ufer.
Das war breit wie ein Fußballfeld, fiel sanft ab zum Wasser und verstand sich
als Böschung. Übermannshoch wuchsen hier die Büsche. Nahe dem Wasser gediehen
Schneidgras, Rohrkolben, Schilf und Ähriges Tausendblatt. Nur weil taillenenge
Trampelpfade zum Wasser führten, war hier ein Durchkommen.
    Aber dorthin, wo kühle
Erfrischung lockte, wollte Tim nicht.
    Langsam fuhr er an dem ersten
Grundstück vorbei.
    In einem verwilderten Garten
stand ein prächtiges Holzhaus. Es war keine Hütte, kein Blockhaus, sondern
zweigeschossig und winterfest. Ein richtiges Haus also von mindestens 160
Quadratmetern Wohnfläche, aber vorwiegend aus Holz erbaut und neugestrichen —
in Altrosa.
    Der Eigentümer schien nicht zu
Hause zu sein — hatte jedenfalls die Fensterläden dichtgemacht. Wahrscheinlich
nutzte er diese ländliche Bleibe mit Seeblick nur als Ferienhaus.
    Wie Tim nicht entging, war über
dem umlaufenden Balkon des Obergeschosses ein Dachbodenfenster geöffnet.
Vielleicht damit dort oben die Luft rundlaufen konnte. Aber nicht nur die
bewegte sich, sondern auch ein flugfähiges Tier.
    Es kam in diesem Moment aus dem
Fenster, breitete die Flügel aus und schwebte seewärts über die Straße. Eine
Taube. Sie war nahezu weiß.
    Tim hielt.
    Karl rückte auf.
    Sie warteten auf Klößchen.
    Er nahte mit hitzerotem Kopf.
    „Das ist Numero eins“, Tim wies
zu dem Holzhaus, „interessiert uns also nicht. Wäre ja auch schade, weil
niemand zu Hause ist.“
    „Aber Zenke weilt in seinem
Garten“, Karl trocknete seine Brillengläser am Ärmel, „das sehe ich mit bioßem
Auge.“
    Klößchens Atem beruhigte sich
allmählich. „Was macht denn der? Spielt der Indianer?“
    Das zweite Grundstück war
mindestens fünfmal so groß, der Garten ein Park. Büsche und Bäume wuchsen nur
vereinzelt. Die Mehrheit des Bodens bestand aus Rasen so kurz wie ein
Drei-Tage-Bart. Ziemlich zum Ende hin, dort, wo vom Wendeplatz die Einfahrt zur
Garage abzweigte, entfaltete die
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