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Bestien in der Finsternis

Bestien in der Finsternis

Titel: Bestien in der Finsternis
Autoren: Stefan Wolf
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hüpfte
umher wie eine junge Amsel, die flügge wird.
    44 Kilo Lebendgewicht, schätzte
Tim und unterdrückte ein Grinsen. Die war rüstig. Die konnte marschieren.
Klößchens Befürchtung schien nicht unbegründet zu sein.
    „Sehr gern“, nickte Gaby. „Aber
Sie sollten sich keine Mühe machen.“
    „Eis-Tee?“ erkundigte sich
Klößchen. „Sonst bevorzuge ich zwar Eis-Schokolade, aber... schon gut!“
brummelte er und rieb sich die Stelle über den Rippen, wo Tim ihn geknufft
hatte.
    Oma Habrecht enteilte in die
Küche, war aber flugs wieder da, servierte Eis-Tee in Gläsern und trank auch
selber ein paar Spatzenschlückchen, bevor sie sich erkundigte, wie es in der
Schule ginge und ob — bei den Jungs — die Ferien angenehm verlaufen seien. Was
Gaby betraf, war sie im Bilde.
    Es hätte ein gemütlicher
Nachmittag werden können. Aber Tim wußte, wann die Banken ihre Schalter
schließen.
    „Ich will ja nicht drängen“,
meinte er. „Aber wenn das Geldinstitut Ihrer Wahl in der Innenstadt liegt, Frau
Habrecht, dann sollten wir uns allmählich auf die Hornhäute machen. Sonst
stehen wir vor verschlossener Tür.“
    Die alte Dame nannte die
Adresse, zu der sie sich entschlossen hatte. Alle Gläser waren ausgetrunken.
Oma Habrecht griff nach ihrer Handtasche, die ungefähr mittelgroß und natürlich
schwarzledern war.
    „Wir können gehen. Ja? Also,
unter euch fühle ich mich gleich sicher. Handtaschendiebe sind leider überall —
und immer unterwegs. Man liest jeden Tag davon.“
    Sie nahm ihren Hausschlüssel
aus der Tasche.
    Tim stand neben ihr. Sein Blick
streifte ins Tascheninnere. Viel war nicht drin.
    Wo hat sie das Geld? überlegte
er. Brustbeutel scheidet aus. Unterm Hut ist nicht genügend Platz. Also wo?
    Oma Habrecht eilte bereits in
die Diele.
    „Und Sie haben Ihre ganzen
Ersparnisse bei sich?“ fragte er.
    „Wie?“ Verdutzt sah sie ihn an.
Dann glitt ein Staunen über ihren Runzelteint. „Um Gottes willen! Das hätte ich
jetzt fast vergessen! Ich staune selbst über mich. Werde ich allmählich alt? Da
wäre ich doch mit euch losspaziert — und mein Erspartes liegt immer noch hier
im Versteck.“
    Auf das bin ich gespannt,
dachte Tim. Hat sie die Kohle unterm Kopfkissen? Oder in der Keksdose?
    Er irrte sich.
    Sie
lief zu dem Ohrenbackensessel, der in einem Erker am Fenster stand.
    „Ein ganz einfaches Versteck“,
rief sie. „Aber es hat sich in vielen Jahren bewährt. Auch Herr Zenke war ganz
angetan. Einbrecher, meinte er, hätten dort bestimmt nicht gesucht. Zum Glück
wurde bei mir noch nie eingebrochen.“
    Die Sitzfläche des Sessels bestand
aus einem freiliegenden Polsterkissen: grüner Samt, nur wenig durchgesessen und
absolut fleckenlos.
    Oma Habrecht hob das Kissen an.
„Nanu!“ meinte sie.
    Sie
hob das Kissen weiter an, stellte es senkrecht. Oma bückte sich.
    In dieser Haltung erstarrte
sie.
    Tim schob sich heran.
    Unter dem Kissen war nichts,
abgesehen von ganz wenig Staub, und drei, höchstens vier Kuchenbröseln.

    Tim kniete und sah unter den
Sessel. Er griff auch in die altmodischen Stahlfedern.
    Als er sich aufrichtete, war
Oma Habrechts Gesicht totenbleich.
    „Ich... weiß genau“, stammelte
sie, „daß ich die Tasche nur hier... nur hier... Niemals habe ich sie woanders
hingelegt.“
    „Keine Panik!“ sagte er. „Wie
sieht sie aus?“
    „Eine schwarze Kollegtasche.
Mit Reißverschluß. Das ganze Geld ist drin. Und die Liste mit den Zahlen.“
    Karl schaltete sich ein. „In
Erwartung unseres Besuchs haben Sie die Tasche sicherlich schon herausgenommen
und griffbereit untergebracht. Am besten, wir suchen mal alle.“
    Sie stellten das kleine Haus
auf den Kopf. Sogar Oskar beteiligte sich an der Suche.
    Aber die Tasche blieb
verschwunden.

2. Als erste vor Ort
     
    Eis-Tee half nicht. Oma
Habrecht mußte ein Gläschen von dem Likör zu sich nehmen, den sie sonst nur an
hohen Feiertagen trank. Sie zitterte und war den Tränen nahe.
    Gaby hatte sich neben sie auf
die Couch gesetzt und tätschelte ihr tröstend den Arm. Tim erwiderte den Blick
des letzten deutschen Kaisers und hätte beinahe eine Grimasse geschnitten.
    „Oma Habrecht, jetzt müssen Sie
sich konzentrieren“, kam er zur Sache. „Wann hatten Sie die Tasche das letzte
Mal in der Hand?“
    „Vorgestern. Etwa um dieselbe
Zeit wie jetzt. Das war, als Herr Zenke mich besuchte.“
    „Der Name fiel schon. Er kennt
das Versteck. Hat’s ja sogar gelobt. Wer ist der Mann?“
    „Ich habe mir nur
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