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Bestien in der Finsternis

Bestien in der Finsternis

Titel: Bestien in der Finsternis
Autoren: Stefan Wolf
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ließen sich Spiegeleier braten.
    Tim und Klößchen radelten. Sie
kamen aus der Internatsschule, also von außerhalb, hatten die
Zubringer-Chaussee hinter sich gelassen und zwei südliche Vororte durchquert.
Jetzt lag das Ziel vor Augen; aber Klößchen, dem der Schweiß in die Kniekehlen
lief, fluchte noch immer über die Hitze.
    „Im Winter ist es dir zu kalt“,
sagte Tim. „Im Sommer zu heiß. Das Wetter, das dir gefällt, gibt’s nicht. Jetzt
hör endlich auf!“
    „Du hast gut reden. Du bist
schlank. Für die Beleibten ist Hitze tödlich.“

    „Du bist nicht beleibt geboren,
sondern hast es dir angefressen. Statt zu stöhnen, solltest du auf deine
Schokolade verzichten. Dann macht dir Hitze nichts aus, und du brauchst nicht
immer Jeans in Herrengröße — auch wenn sie unten zu lang sind. Da vorn warten
Gaby und Karl. Wir sind da. Denk dran, daß du mit deiner Person und deinem
Leben einen Haufen Kohle bewachen sollst. Also Haltung! Sonst denkt die Oma,
mit unserer Generation ist überhaupt nichts los.“
    Klößchen brummelte noch, anhand
der Schweißtropfen könne man seinen Weg verfolgen, dann rutschte er ächzend vom
Stahlroß.
    „Ist dir warm?“ erkundigte Gaby
sich zuckersüß.
    Klößchen schüttelte den Kopf.
„Was an mir runterläuft, ist Regen. Wo wir herkommen, regnet es.“
    Gaby sah Tim an. „Und du bist
mal wieder so schnell gefahren, daß dich der Regen nicht getroffen hat.“
    „Erraten.“
    Karl hatte seine Tretmühle und
Gabys Klapprad bereits am Jägerzaun angekettet. „Oma Habrecht geht nur noch zu
Fuß“, erklärte er. „Also müssen wir sie fußläufig begleiten.“
    „Ich hoffe“, stöhnte Klößchen,
„sie ist nicht zu rüstig. Manche 81jährigen haben ja ein Tempo drauf beim
Schreiten, daß unsereins hinterher keucht.“
    „Hitze hin, Hitze her! Wenn du
nicht Schritt hältst“, drohte Tim, „mache ich dir Beine.“ Er deutete auf die
Hundeleine, die Gaby in der Hand hielt. „Gehört die zu deiner
Begleitschutz-Ausrüstung, oder ist Oskar irgendwo?“
    Als hätte der treue Vierbeiner
sein Stichwort gehört, trabte er aus einer Einfahrt heran — mich hechelnder
Zunge, aber freudigem Wedeln. Er hatte seinen großen Freund Tim gehört, erspäht
— sprang an ihm hoch und jubelte vor Freude.
    Karl kettete die beiden anderen
Räder an den Zaun. Ein fünftes hätte nicht mehr Platz gehabt. Oskar beruhigte
sich. Sein schwarzweißes Spanielfell war etwas gestutzt worden. Er trug
sozusagen seine Sommerkluft.
    „Es ist halb drei“, sagte Karl.
„Wir sind pünktlich wie die Maurer.“
    „Pünktlich sind die nur“,
japste Klößchen, „wenn’s um den Feierabend geht.“
    Gaby öffnete die Gartenpforte.
Sie kannte die sparsame Greisin und hielt’s für besser, voranzugehen. Damit
keine Mißverständnisse aufkamen. Vielleicht hätte sich die alte Dame
erschreckt. Klößchen wirkte in seinem verschwitzten Zustand wie ein total
geschaffter Strauchdieb. Karls Brillengläser blitzten gefährlich im grellen
Licht. Tim unterstrich seine Begleitschutz-Würde mit zu ernster Miene.
    Während Gaby klingelte, ließ
Tim den Blick wieseln.
    Der kleine Garten war picobello (bestens), das Häuschen neu gestrichen. Oma Habrecht hielt ihr Anwesen
in Ordnung. Jetzt öffnete sie und strahlte Gaby an.
    „Da bist du ja. Wie schön!“
    „Tag, Oma Habrecht. Ich habe
meine Freunde mitgebracht.“
    Sie stellte Tim, Karl und
Klößchen vor.
    Als Klößchen ihr die Hand gab,
machte er sich auf seine Weise bekannt.
    „Begleitschutz-Experte Willi
Sauerlich zur Stelle“, meldete er zackig.
    Mathilde Habrecht blickte zu
ihm auf. Sie war noch kleiner als er. Eine winzige, zerbrechliche Person mit
silbergrauem Haar. Sie trug ein dunkles Alt-Damen-Kleid, mehrere Broschen,
einen schwarzen Alt-Damen-Hut — vermutlich aus Stroh — und gehäkelte
Sommerhandschuhe.
    Ausgehfertig, dachte Tim. Und
sie riecht so schön nach Lavendel. Hoffentlich weiß sie schon, zu welcher Bank
sie will.
    „Ich freue mich, daß ihr mir
helfen wollt“, sagte sie mit klarer Stimme und kraulte Oskar den Kopf. „Allein
zu gehen — da hätte ich doch ein ungutes Gefühl. Aber jetzt kommt erstmal rein.
Ich habe Eis-Tee gemacht. Den mögt ihr doch?“
    Im Wohnraum gab es viele
Schonbezüge und Deckchen. Die Möbel stammten sicherlich aus Mathildes Jugend,
waren aber gut erhalten. Über dem Sofa hing ein Bild vom letzten deutschen
Kaiser. Er blickte sehr streng auf die TKKG-Bande herab.
    „Also Eis-Tee?“ Mathilde
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