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Bestie Mensch: Tarnung - Lüge - Strategie (German Edition)

Bestie Mensch: Tarnung - Lüge - Strategie (German Edition)

Titel: Bestie Mensch: Tarnung - Lüge - Strategie (German Edition)
Autoren: Thomas Müller
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Sexualstraftäter zu drehen, und er mich gebeten hatte, im Rahmen meiner Sachverständigentätigkeit als Konsulent behilflich zu sein. Für den Nachmittag des 17. Oktober waren in Bremen noch Drehaufnahmen an einem nachgestellten Tatort geplant, den ich auf eventuelle inhaltliche Fehler beurteilen sollte.
    So saß ich also gegen zehn Uhr immer noch mit Lutz Reinstrom in jenem Gesprächszimmer, mit dem Rücken zum Fenster, lauschte den Ausführungen, wie, wann und wo er wie viel Salzsäure in die Fässer gegossen hatte, um die sterblichen Überreste seiner Opfer verschwinden zu lassen. Die Heizung in meinem Rücken gab mir die nötige Wärme von außen und der Früchtetee von innen. Wir waren gerade an dem Punkt angekommen, an dem Lutz Reinstrom über die todesursächlichen Umstände des zweiten Opfers sprach, als ich subjektiv das Gefühl hatte, dass irgendetwas nicht stimmte. Er sprach, ich hörte zu. Rein sicherheitstechnisch gab es keinen Anlass zur Sorge, aber es war irgendwie ein Gefühl, das ich zwar erfasste, aber noch nicht einordnen konnte.

4.

    Ich erinnerte mich, dass ich dieses Gefühl schon einmal verspürt hatte, als ich 1992 in einem Gefängnis in Graz Jack Unterweger interviewte. Unterweger war im Verdacht gestanden – so stand es zumindest in der Anklageschrift –, in drei verschiedenen Ländern auf zwei verschiedenen Kontinenten insgesamt elf Prostituierte umgebracht zu haben. Seine Biografie glich mehr der eines Hauptdarstellers in einem Hollywoodspielfilm als der Realität eines österreichischen Knaben, der, im Jahre 1950 in Judenburg in der Steiermark geboren, zum angeblichen transkontinentalen Serientäter heranwuchs. Unterweger war Diskjockey und Tankwart, hatte zahlreiche Vorstraftaten, als er schließlich in den 70erJahren in einer kalten Winternacht in Hessen eine Frau nackt mit einer Stahlrute durch den Wald trieb, sie anschließend umbrachte und teilweise mit Laub bedeckte. Als österreichischer Staatsbürger wurde er Mitte der 70er-Jahre zu lebenslanger Haft verurteilt und avancierte im Laufe der Zeit zum Darling der „Champagner-Schickeria“ in Österreich. Er schrieb Bücher über sein Leben, hielt im Laufe seiner Haftzeit auch Lesungen und wurde Anfang der 90er-Jahre als resozialisiert entlassen. Mit ausgezeichneten Kontakten zu unterschiedlichen Bevölkerungsschichten und entsprechenden Empfehlungsschreiben ausgestattet, war Jack Unterweger äußerst mobil zwischen den Vereinigten Staaten, Österreich, der Tschechischen Republik und Italien herumgereist und hatte, gemäß Anklageschrift des Staatsanwaltes, in Österreich sieben, in Prag eine und in Los Angeles drei Prostituierte getötet.
    Nachdem er von dem Tatverdacht gegen ihn erfahren hatte, floh Jack Unterweger nach Miami, wurde dort festgenommen, nach rechtlicher Prüfung durch US-Behörden nach Österreich ausgeliefert und in das Landesgericht Graz überstellt. Noch zum Zeitpunkt der Voruntersuchung hatte ich Gelegenheit, mit ihm zu sprechen. Ich führte damals ein sehr langes Gespräch über ihn, die strafbaren Handlungen, die Anschuldigungen und einzelne Details, die die Sonderkommission damals am Tatort feststellte. Ich selbst war nicht Teil oder Mitglied der Sonderkommission, sondern war eben erst von meiner Ausbildung bei der Verhaltensforschungseinheit des FBI in Quantico/Virginia zurückgekehrt und sollte den kriminalpolizeilichen Akt so aufbereiten, dass die amerikanischen Kollegen die Beurteilung aus kriminalpsychologischer Sicht im Auftrag des Gerichtes durchführen konnten.
    Verständlicherweise betrachtete mich Herr Unterweger jedoch als Teil jener „Maschinerie“, die gegen ihn ermittelte und vorging, sodass sich der Einstieg in unser Gespräch ganz anders als erwartet abspielte. Ich wartete außerhalb des Zellentraktes mit Genehmigung des Untersuchungsrichters, als Unterweger den Vorraum der Vernehmungszelle betrat. Es war ein langer Gang von etwa zehn bis zwölf Metern, den er mir entgegengehen musste, um schließlich auf meiner Höhe zu sein, lediglich durch die üblichen Eisenstäbe, wie man sie aus einem Gefängnis kennt, getrennt. Wir hätten dann beide durch zwei verschiedene Türen einen einzigen Raum betreten, der in logischer Fortsetzung der Eisenstäbe durch eine Glaswand getrennt war. Dort sollte das Gespräch stattfinden, dachte ich. Unterweger kam tatsächlich den Gang entlang auf mich zu und fragte mich, ob ich den Leiter der Sonderkommission, Dr. Ernst Geiger, kennen würde. Ich bejahte
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