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Bestie Mensch: Tarnung - Lüge - Strategie (German Edition)

Bestie Mensch: Tarnung - Lüge - Strategie (German Edition)

Titel: Bestie Mensch: Tarnung - Lüge - Strategie (German Edition)
Autoren: Thomas Müller
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und intensive Träume zu verspüren, so wie der wahrnehmbare Ruf eines anderen, mit dem Zweck, den Schlaf zu beenden, oft noch ein in sich geschlossenes Traumgebäude hervorruft, so haben diese paar Tröpfchen Tee für mich während des kurzen Augenblickes meiner geschlossenen Lider etwas anderes bei mir ausgelöst. Warum ich? Warum jetzt? Warum sitze ich überhaupt hier, trinke einen Tee, der mir vielleicht das Leben nimmt, mir aber mit Sicherheit für kurze Zeit den Verstand raubt? Man sagt, selbst der intensivste Traum dauert nur ein paar Sekunden. Auch Tagträume – vielleicht ist das Folgende der Beweis dafür …

6.
Die Tarnung …

    … war nicht mehr möglich, als ich im Sommer 1982 mit einem alten verrosteten Motorrad durch Innsbruck fuhr. Schon von weitem erkannte ich, dass die folgende Situation unausweichlich war, es war zu spät, einen anderen Weg einzuschlagen. Der Polizist hatte bereits angesetzt, mit erhobener Hand seinen Fuß auf die Straße zu setzen, um mich mit einem mehr als schwungvollen „S“, das er mit seiner zweiten Hand in die Luft zeichnete, zum Anhalten und Einparken aufzufordern. Sein Kollege blieb mit auf dem Rücken verschränkten Händen am Gehsteig stehen, beobachtete teils mit finsterer, teils erstaunter Miene die folgende Amtshandlung. Mein Motorrad war alt, entsprach grundsätzlich den Verkehrsvorschriften, die Geschwindigkeit war auch nicht überhöht, aber aus Sicht des Ordnungsorgans waren die Reifen etwas zu glatt und besaßen zu wenig Profil. Reine Auslegungssache, dachte ich mir und versuchte nun als angehender Student in eine nahezu akademische Diskussion einzusteigen, um der sich anbahnenden finanziellen Buße, aber insbesondere der Abnahme des amtlichen Kennzeichens zu entgehen.
    Je mehr ich jedoch versuchte, mit logischen Argumenten den Polizisten von meiner Unschuld zu überzeugen, desto mehr bemerkte ich, dass ich dadurch das Gegenteil erreichte. Gesetz war eben Gesetz und Vorschrift war eben Vorschrift. Die Profiltiefe ließ sich auch nicht durch noch so ausgefeilte Argumente herbeireden, und als sich dann auch noch der zweite Kollege in Uniform über den Vorderreifen beugte, um auch diesen in kritisch fachmännischer Manier unter die Lupe zu nehmen, nahm ich zur Kenntnis, dass damit das Ende der Amtshandlung bald erreicht war.
    Plötzlich jedoch fiel mir etwas auf, was mit dem abgefahrenen Reifen, meinen bisherigen Argumenten und der sonst nahezu gleichen Uniform der beiden Polizisten nichts zu tun hatte. Es war nicht die unterschiedliche Größe, die unterschiedliche Haartracht oder Haarfarbe der beiden. Es war nicht die Tatsache, dass der eine einen Schnauzbart trug und der andere glatt rasiert war. Es war ganz einfach die Tatsache, dass einer der beiden, nämlich derjenige, der mich auf die Seite gewinkt hatte, in seiner Brusttasche mehrere Kugelschreiber stecken hatte. Die Bezeichnung „mehrere Kugelschreiber“ ist eine Untertreibung für die hohe Anzahl der Schreibstifte in allen möglichen Farben, Materialien und unterschiedlichen Aufdrucken, die die Brusttasche des Ordnungsorgans in unnatürlicher Art und Weise nach außen beulten. Ein kontrollierender Blick auf seinen Kollegen bestätigte mir, dass dieser nur einen einzigen Kugelschreiber eingesteckt hatte. Warum?
    Ein vollkommen lächerlicher Gedanke, der im Zusammenhang mit allen anderen Dingen, die an diesem Tag passierten, nicht die geringste Bedeutung hatte. Für mich jedoch besaß gerade zu dem Zeitpunkt, als mir der Polizist mitteilte, er werde jetzt Verstärkung anfordern, um mit entsprechendem Werkzeug mein Kennzeichen abmontieren zu können, diese Beobachtung eine unglaubliche Faszination. Bei allen vorhandenen Parallelitäten, der gleichen Schuhe, der gleichen Hose und Oberbekleidung, ja selbst der gleichen Farbe der Uniformkappe, sodass man geneigt war festzuhalten, dass es sich dabei um zwei „gleiche“ Polizisten handelte, war die Tatsache, dass einer von ihnen etwa 20-mal mehr Schreibgeräte mit sich herumführte als der andere, Ausgangspunkt weiterer Überlegungen. Waren sie ihm so wichtig? Hatte er jemals eine Amtshandlung vornehmen müssen, bei der er kein Schreibgerät mit sich führte? Sammelte er die Kugelschreiber? War es eine persönliche Note von ihm oder hatte der Umstand der vielen Kugelschreiber einfach nur einen pragmatischen Nutzen? Offensichtlich schien ich durch meine Gedankengänge etwas abwesend, denn der erste Polizist fragte mich, ob ich denn verstanden hätte, dass
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