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Bestie Mensch: Tarnung - Lüge - Strategie (German Edition)

Bestie Mensch: Tarnung - Lüge - Strategie (German Edition)

Titel: Bestie Mensch: Tarnung - Lüge - Strategie (German Edition)
Autoren: Thomas Müller
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Gesundheitszustand, und ich hatte das Gefühl, eine kleine Frage meinerseits brachte bereits einen Schwall von Informationen hervor. Dieser Umstand gab mir einerseits die Möglichkeit, über Gefahrenmomente, denen man zweifelsohne bei solchen Gesprächen – gerade was die Manipulation betrifft – ausgeliefert ist, nachzudenken, andererseits, mir weitere Fragestellungen zu überlegen. Es war keinesfalls ein unangenehmes Gespräch. Er teilte mir auch sehr offen mit, dass er sich über mich erkundigt hätte. Schön, das war nichts Neues!
    Mir ging es vor allem darum herauszufinden, wie es passieren kann, dass ein angesehener Kürschnermeister irgendwann in seinem Leben so weit kommt, dass er im Garten seines Hauses einen Bunker baut. Darin verstirbt eine Frau. Ihre sterblichen Überreste werden in einer riesigen Plastiktonne gefunden, die im Garten vergraben ist. Der Garten gehört Lutz Reinstrom, das Fass mit der Leiche ist mit Salzsäure gefüllt. Was geht hier vor?
    Das Gespräch war meinerseits zunächst nur darauf ausgelegt, einen groben Überblick zu erhalten, die objektiven Fakten, welche ich von den Rechtsmedizinern kannte, von emotionell dargebrachten Geschichten zu unterscheiden. Das Gespräch war aber auch darauf ausgelegt, etwas mehr über das „Wie“ einer Manipulation zu erfahren. Ich war der Meinung, ein Gespräch mit Lutz Reinstrom könnte mir dabei weiterhelfen.
    Wo soll man denn sonst solche Dinge erfahren bzw. lernen? Im Elfenbeinturm der Wissenschaft wohl kaum. Menschliches Verhalten ist zu komplex, als dass wir es in zehn oder zwölf Schubladen hineinstecken könnten, obwohl wir es tagtäglich immer wieder versuchen. Wer von uns hat noch nicht sein Horoskop gelesen und war dann bei positivem Inhalt eher geneigt, der Ausrichtung der Sterne und deren Bedeutung Glauben zu schenken? Stellt das Horoskop jedoch ein vernichtendes Zeugnis der vermeintlichen Zukunft und Gegenwart aus, messen wir der Astrologie keine Bedeutung mehr bei.
    Wir begehren eben immer das, was wir gerade nicht haben, und versuchen deshalb für uns selbst und damit auch für andere Einordnungen zu treffen, um in klaren Kategorien denken zu können: schwarz – weiß, gut – böse, gerecht – ungerecht, wissenschaftlich – unwissenschaftlich.
    Aber so wie es Dutzende verschiedene Grautöne gibt, liegt die Individualität jedes Einzelnen auch in der Art und Weise, wie er auf bestimmte äußere Reize reagiert. Das zu erfahren, ist eine der Zielstellungen solcher Gespräche wie mit Lutz Reinstrom. Wie wird er versuchen, mir seine Geschichte zu verkaufen? Auf welche Art und Weise wird er versuchen, mich zu manipulieren? Wo wäre seine Schwäche gewesen, dass wir bei zukünftigen Delikten früher einschreiten hätten können? Wo könnte ich denn nachlesen, was ihn so weit getrieben hat, dass er nunmehr mit allem, was das deutsche Strafrecht hergibt, in Hamburg-Fuhlsbüttel sitzt, anstatt seiner ursprünglichen Tätigkeit als Kürschnermeister nachzukommen und viele Leute glücklich zu machen, indem er „Kunstwerke“ aus tierischen Leichenteilen herstellt?
    Das Schachspiel hatte also begonnen und ich war nach kurzer Zeit überzeugt, dass Lutz Reinstrom aufgrund seiner verbalen Fähigkeiten, seiner umfangreichen Lebenserfahrung, seiner Kombinationsgabe und seiner Fähigkeit zu beobachten schon einige Züge voraus war, nicht einen, sondern mehrere Züge. Aber was konnte ich schon verlieren? Ich ließ mir in immer genaueren Details die beiden Tötungsdelikte, die aus seiner Sicht Unfälle waren, schildern. Ich versuchte immer genauere Informationen über Einzelentscheidungen und Gedankenvorgänge zu erhalten und genoss irgendwie den Umstand, dass wir beide an einem kalten Oktobertag in einem leicht überheizten Gesprächsraum in Fuhlsbüttel saßen und Tee tranken.
    Offen gesagt, war ich ihm dankbar, dass er mir Tee angeboten hatte, denn ich war an jenem 17. Oktober 2003 gemeinsam mit Gunther Scholz bereits um fünf Uhr morgens in seinem Auto von Bremen nach Hamburg gefahren und musste auf der Autobahn zur Kenntnis nehmen, dass die Heizungsanlage des Autos defekt war. Eingefroren wie ein Tannenzapfen im Winter, gab mir zuerst das Schälchen Früchtetee und im Anschluss die Schale Pfefferminztee nach und nach jene innere Wärme wieder, die ich benötigte, um mich dem Gespräch mit voller Aufmerksamkeit zu widmen. Mit Gunther Scholz war ich deshalb nach Hamburg gefahren, weil er vom ZDF beauftragt worden war, einen Dokumentarfilm über
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