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Besser

Besser

Titel: Besser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Knecht
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Uhr früh, viel zu spät, um noch ein Pulver zu nehmen, Alenka, er, Alenka, wir, die Kinder, Adam, wie er im Flur gestanden und die Barbiepuppe aufgehoben und wie er geschaut hatte, und wir, wir als Familie. Es sollte auf andere Menschen nicht so positiv konstituierend wirken, wenn ihre Putzfrau von deren Mann umgebracht und beider kleine Tochter zur Waise wird und zur Tochter eines Mörders. Es sollte nicht andere zusammenschweißen, es sollte ihnen nicht ihr eigenes Glück bewusst werden lassen. Es sollte sie nicht so glücklich machen. Das eigene Glück sollte nicht auf dem Unglück der anderen basieren. Es ist nicht richtig, dass man sich nach einer derartigen Tragödie besser fühlt als vorher, zufriedener, angekommener. Es ist Unrecht. Aber es ist dennoch so. Der Tod kam in mein Haus, aber gleichzeitig schwemmten auch Erleichterung und Klarheit und Liebe und Zufriedenheit herein. Und ein neues Bewusstsein über das, was mir gegeben war. Ich fand es abartig und erbärmlich, dass etwas Derartiges geschehen musste, ich verachtete mich dafür, dass ich einen solchen Weckruf brauchte, dass es der sogenannte heilsame Schock war, der auch mich ereilte. Dass ich das elementare Unglück von anderen brauchte, um in die Lage zu kommen, mein eigenes Glück nicht nur hinter dem Nebel meines Lebensbetruges zu wissen, sondern es zu sehen, als wäre der Himmel aufgerissen und es hätte sich durch die Wolken mit einem Mal in mein Blickfeld geschoben. Aber in diesem Augenblick war es so, in diesem Augenblick wurde mir alles klar. Dass ich nicht nur am richtigen, sichersten, gesundesten, angenehmsten Ort war, dass es nicht mehr nur Vernunft war und ein existenzieller Überlebenstrieb, der mich hier sein und bleiben ließ. Sondern dass ich hier sein wollte. Hier, nirgends sonst. Dass ich nicht einmal in die Nähe eines Gedankens kommen wollte, sollte, der mich von diesem Ort wegfantasierte. Das hier war nicht nur irgendein nächstes Ufer, an das ich mich vor dem sicheren Ertrinken gerettet hatte, und von dem aus ich irgendwann wieder aufbrechen würde, um den Ort meiner Bestimmung zu finden, mein wirkliches Zuhause: Das war es. Das war der Ort. Mein Ziel. Es gab kein anderes. Es war das Beste, und ich war da und hatte es. Ich tat nicht nur so, als wollte ich es. Ich wollte es wirklich, genau das, nichts anderes, ich war daheim.

    Als ich das in der Nacht begriff, wollte ich ein Opfer bringen. Ich wollte bezahlen für mein Glück. Und als ich am Morgen aufwachte, nach kaum mehr als ein paar Minuten Schlaf, und Kaffee aus der Tasse schlürfte, die Adam mir in die Hand gedrückt hatte, als ich langsam wach und klar wurde, wusste ich, was zu tun war. Ich würde alle dunklen Türen versiegeln, alle dummen Ideen vernichten. Ich würde mich retten, uns alle. Ich konnte es kaum erwarten, lief ungeduldig durch die Wohnung, bis Adam mit den Kindern das Haus verließ, duschte hastig, föhnte mich nachlässig. Ich war beseelt. Ich würde Ordnung machen. Ich würde mein Leben ändern. Ich würde alles besser machen, ein besserer Mensch werden, ein reinerer. Und ich tat den ersten Schritt, kaum, dass ich im Atelier angekommen war. Ich schaltete den Laptop ein, noch im Mantel, ich stellte Teewasser auf, ich setzte mich, immer noch im Mantel, an den Schreibtisch und sah dem Bildschirm zu, wie er sich fertig aufbaute, sah der sich einrichtenden Internetverbindung zu, beobachtete die Mailbox, die sich blinkend in Betrieb setzte. Ich sah, während ich meinen Mantel abstreifte und einfach über die Sessellehne schüttelte, die E-Mails in meine Mailbox rattern, ein Ziffernsausen im roten Kreis in der Ecke, einszweidreivierfünfsechs, bei Sieben blieb es stehen. Ich sah, dass ich eine neue Mail von Astrid hatte mit dem Betreff «Das …», ich las sie nicht und ich las auch nicht die Mail von Zsusa über «Adile» und nicht die Moser-Mail, die vermutlich eine Essenseinladung enthielt, und die von Moritz las ich auch nicht. Ich las nicht einmal die «Das glaubst du nicht!!!»-Mail von Jenny. Später. Und schon gar nicht las ich die Mail von ihm, irgendwo aus Nahost abgeschickt, die zwischen den anderen in meiner Mailbox lag, die Mail mit dem Titel «Du». Ich wollte nicht wissen, was unter diesem Du kam, ich wollte nicht irritiert werden, abgelenkt, abgebracht von meinem Bußgang, ich war auf dem Weg nach Canossa und ich würde dort ankommen, niemand würde mich aufhalten. Ich tippte aufs Neue-Mail-Symbol und gab seinen Namen in das Feld hinter AN :

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