Besser
Enttäuscht, genervt, erschöpft.
«Du musst damit aufhören», sagte er, müde und ernst. Sehr müde, sehr ernst. «Du. Musst. Damit. Aufhören.»
«Hast ja recht», sagte ich, aber ich glaube nicht, dass ich sehr überzeugend klang. Mich konnte ich jedenfalls nicht überzeugen.
«Bitte», sagte Moritz, «tu es für dich.» Mein Telefon, das umgedreht auf dem Tisch lag, fing an zu zwitschern. Ich ließ es liegen.
«Okay», sagte ich. Es zwitscherte weiter.
«Willst du nicht rangehen?», fragte Moritz. «Vielleicht ist es Adam.»
Ich drehte das Telefon um. Es war nicht Adam. Aber ich beschloss, das Gespräch trotzdem anzunehmen, es war wie der ideale, vielleicht der einzige Moment für dieses Gespräch, und ich stand auf, nickte Moritz zu, und ging mit dem Telefon nach draußen.
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Achtunddreißig
«Wieso rufst du mich an?» Dein Kopf summt, während du die Glastür zum Gastgarten hinter dir zuschiebst. Vor dir erkennst du dunkel den scheußlichen Innenhof-Brunnen und hohe Stapel von staubigen Plastikstühlen, drinnen kannst du Moritz sehen, im warmen Licht, er wirft dir einen verwunderten Blick zu. Er ist es nicht gewohnt, dass du Geheimnisse vor ihm hast.
«Ich will dich sehen.» Das Summen in deinem Kopf wird lauter, ein Rauschen von Angst und Blut.
«Ich will dich nicht sehen. Und ich denke, ich will dich nie mehr sehen.» Dein Kopf dröhnt jetzt. Laut. So laut, dass es dich überrascht, dass du deine Stimme trotzdem hören kannst, klar und deutlich, durch das Dröhnen hindurch. Und dann seine Stimme.
«Ja, das hättest du vielleicht gern. Aber du brauchst mich doch. Du kannst doch gar nicht leben ohne mich. Konntest du doch nie.»
Du sagst: «Ich kann es jetzt.» Und noch einmal. «Ich kann es jetzt. Ich tu es längst. Ich tu es schon sehr lange.» Und dann stellst du überrascht fest, dass es in deinem Kopf stiller wird, dass der Druck nachlässt und dein Blut sich beruhigt.
Du sagst: «Ruf mich nicht wieder an.» Das Rauschen zieht aus deinem Kopf ab, zerfließt in der kalten Nachtluft um dich herum.
Du sagst: «Wir werden uns nicht mehr sehen.»
«Das sagst du jetzt. Du kommst wieder.»
Du sagst: «Nein. Ich komme nicht wieder. Wir gehören nicht mehr zusammen.»
«Aber du warst bei mir, gerade erst. Du wolltest zu mir.»
«Ich war nicht bei dir.»
«Du warst vor meiner Tür.»
«Ich war nur vor deiner Tür. Ich bin nicht durch die Tür gegangen. Ich habe kehrtgemacht. Und ich bin nicht wiedergekommen.»
«Du kommst wieder.»
«Ich komme nicht wieder.» Es ist jetzt ruhig in deinem Kopf, ganz still, nur deine Worte sind darin, monumenthaft, passiv und unumstößlich. «Hör mir zu: Ich komme nie wieder.»
«Das werden wir ja sehen.»
«Ja, das wirst du sehen. Es ist jetzt so.» Und auf einmal spürst du, wie sich ein neues Gefühl über die alte Angst legt: Mitleid. Du sagst: «Und weißt du, ich hoffe, es geht dir gut. Wirklich. Ich hoffe, dein Leben wird wieder gut. Aber ich werde nicht mehr darin vorkommen. Du schaffst das allein.»
«Sowieso. Aber du nicht.»
«Ich bin schon lange woanders.»
«Das glaubst du nur. Menschen ändern sich nicht.»
«Doch. Wenn sie es wirklich wollen.»
«Ich brauch dich sowieso nicht.»
«Dann ist es doch gut. Ich wünsche dir alles Beste.»
«Du kommst doch eh wieder.»
«Nein. Und ich lege jetzt auf».
«Ich weiß, dass du es brauchst. Und ich gebe es dir. Du kommst schon wieder.»
«Alles Gute, okay? Mach’s gut. Ich lege jetzt auf. Bye.»
Und dann legst du auf. Nimmst das Telefon vom Ohr und drückst den roten Button, ohne Zögern. Still ist es, in dir und um dich herum, und dann merkst du, dass du am ganzen Körper zitterst, und es ist nicht nur wegen der Kälte.
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Neununddreißig
«Wer war das?», fragte Moritz.
«Niemand», sagte ich.
«Ach so», sagte Moritz und schaute beleidigt.
«Entschuldige», sagte ich. «Ich erzähl’s dir dann einmal. Bald.»
«Gut», sagte Moritz.
«Danke», sagte ich. «Danke, Moritz.»
«Schon gut», sagte Moritz. «Soll ich bissl Baklava für deine Seele bestellen?»
«Lieber noch ein Glas Wein», sagte ich. «Und vielleicht einen Raki. Ja, einen Raki, den könnte meine Seele jetzt brauchen.»
«Was immer ihr guttut», sagte Moritz.
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Vierzig
Später liege ich wach, hundert Kilometer weit weg von der Möglichkeit von Schlaf, Alenka, Alenka, Adile, Alenka, er, er, er, und der Mond brennt durch das Fenster, und es ist drei
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