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Beschuetz Mein Herz Vor Liebe

Beschuetz Mein Herz Vor Liebe

Titel: Beschuetz Mein Herz Vor Liebe
Autoren: Asta Scheib
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nachdenklich in der Tür des Verschlages, »mei, das hätt keiner denkt, daß aus dem kleinen Bub einer wird, der überall Krieg anfangt und alles himacht.«
    »Maxl, sei vorsichtig mit solchen Reden. Vor allem, wenn der Hurler dabei ist.«
    »Des weiß i scho lang.« Maxl sagte das nicht ohne einen gewissen Stolz. Er war bald fünfzehn, und er hatte viel gehört und gesehen. Er wußte, daß es in Wiesham »Hitlernarrische« gab und »Pfarrernarrische«. Der Hurler war hitlernarrisch. Der wollte immer alles anzeigen in München vor dem Sondergericht. Sogar den Herrn Pfarrer wollte er anzeigen. Der Pfarrer hatte in seiner Predigt gesagt, daß Juden Menschen seien wie alle anderen auch und daß es schändlich sei, sie zu verfolgen. Der Pfarrer wollte auch den ›Stürmer‹-Kasten nicht vor der Kirche dulden. Und er hatte gesagt, daß er nicht mehr predigen werde, solange der ›Stürmer‹-Kasten da stehe. Der ›Stürmer‹, so sagte der Pfarrer, sei eine gotteslästerliche Zeitung. Maxl hatte gehört, wie Hurler gesagt hatte, der Pfarrer könne nur deshalb das Maul so weit aufreißen, weil der Ortsgruppenleiter und der Polizeihauptwachtmeister zwei Pfarrernarrische seien.
    Maxl sprach nie mehr darüber, daß seine Mutter hitlernarrisch war. Obwohl Therese von Lonis Alltag völlig abgetrennt lebte, versuchte sie doch, sich vorzustellen, wie Loni ihre Zukunft sah. Was glaubte sie noch? Was hoffte sie noch? Was fürchtete sie?
    Von Kaspar wußte Therese, daß die meisten Deutschen, vor allem auf dem Land, sich vor dem Einmarsch der Russen fürchteten. Die Flüchtlinge hatten viel von den Bolschewisten erzählt, von mordenden Russen, von Russen, die vergewaltigten. Das alles mußte auch Loni wissen. Wie mochte es in ihr aussehen? Äußerlich ging sie ihrenPflichten als Parteigenossin weiter nach. In der Partei war sie wichtig. Loni hatte ihre Vorgesetzten überzeugen können, daß sie für die harte Bauernarbeit nicht gemacht war. Daher betreute sie seit einiger Zeit Evakuierte. Sie sammelte Lebensmittel, verteilte Kleidung, vermittelte Wohnraum. Drei Frauen aus dem Ort waren ihr unterstellt. Doch sie ließen Loni spüren, daß sie es satt hatten. Hitler, den Krieg und Loni. Die Frauen bekamen kaum noch genug Mehl, Gemüse und Milch zum Leben. Alles verschlang der Krieg. Die Kinder hörten nicht auf die Eltern. Die Hitler-Jugend und der Bund Deutscher Mädel hatten sie verdorben. Sie gaben Widerworte, sagten, daß Arbeitsdienst ihnen reiche. Und zu mehr Arbeit hätten sie keine Lust. Was war das für ein Leben? Alles machte der Krieg hin. Die ganze Familie. Die Männer in Stalingrad, das Vieh von Tieffliegern zerschossen. Die schossen auch auf die Äcker, auf denen die Frauen arbeiteten. Und jetzt sollten sie auch noch Evakuierte versorgen. Vier Stunden am Tag. Die Lechner Loni hatte gut reden, die Stadterin, die preußische. Vor der Bauernarbeit hatte sie sich gedrückt. Sie wollte lieber die Frauen rumkommandieren, so wie früher. Eine Nähstube für die Bäuerinnen hatte sie eingerichtet. Dabei konnte sie gar nicht nähen. Nur rumkommandieren. Die Kinder mit Büchsen zum Sammeln schicken. Kräuter sammeln, Altkleider sammeln. Die Bäuerinnen hätten gar nicht sagen können, wie sehr ihnen das alles zum Hals heraushing.
    Eines Tages kam die Messmerin, wie jeden Tag, zum Bahnhofsdienst. Aber diesmal zeigte sie ihren Widerwillen offen. »Soll doch der Hitler seinen Krieg selber bezahlen. Soll er doch amal selber arbeiten. Ich bleib daheim.« Loni, ratlos, rettete sich rasch ins Formelle. Sie wies die Messmerin darauf hin, daß sie nicht mit Heil Hitler gegrüßt habe, wie es schließlich Vorschrift sei.
    »Da hast du deinen Heil Hitler«, schrie die Messmerin, und sie holte aus zu einer kraftvollen Ohrfeige. Doch instinktiv hatte Loni sich weggeduckt. Die drei anderen Frauen, als hätten sie darauf gewartet, schlossen sich der Weigerung der Messmerbäuerin nur allzu gerne an. Sie verschwanden eilig. Die Messmerin schnaubte noch in Richtung Loni, daß sie Anzeige erstatten könne: »Du sitzt ja an der Quelle.«
    Die Wut der Messmerin ließ sie alle Vorsicht vergessen. Sie erschien freiwillig bei der Gendarmerie. Die Waffen-SS hatte Florian, ihren sechzehnjährigen Sohn, eingezogen zum Volkssturm. Als die Buben im Volkssturmlager ankamen, wurden sie von einem Unteroffizier und einem Feldwebel mit wüsten Beschimpfungen empfangen. »Ja – seid ihr endlich mal da – ihr Bauernkerle, Schweinehunde, Feiglinge, Verräter,
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