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Beschuetz Mein Herz Vor Liebe

Beschuetz Mein Herz Vor Liebe

Titel: Beschuetz Mein Herz Vor Liebe
Autoren: Asta Scheib
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massive Drohungen mit, daß Giessler Wohnungskommissare nach Wiesham schicken würde. »Wir brauchen jeden Raum, der erübrigt werden kann. Wir brauchen die Arbeitskraft jeder Frau. Und ich habe den Eindruck, daß es im Isarwinkel am guten Willen weit fehlt.«
    Lechner entgegnete, daß seine eigene Frau schon lange im Kriegseinsatz sei und daß er keine einzige Frau in Wiesham wisse, die müßiggehe. »Alle arbeiten bis zum Umfallen. Harte Bauernarbeit.«
    »Das ist ja wohl das mindeste, was der Führer von euch verlangen kann. Ihr meint, ihr könnt auf dem Land machen, was ihr wollt. Da werde ich jetzt durchgreifen.«
    Kaspar Lechner berichtete das alles Therese. Dabei wirkte seine Stimme erschöpft und deprimiert. Er hatte an allzu vielen Fronten zu kämpfen. Daheim ging es weiter. Therese hörte fast jede Nacht den Streit des Ehepaares.
    Loni und Kaspar Lechner. Wenn sie auch offenbar kaum etwas gemeinsam hatten, so waren sie doch beide von einem Wahnsinnigen vor Aufgaben gestellt, denen sie absolut nicht gewachsen waren. Therese dachte wieder öfter über ihre eigene Existenz nach, die von der Existenz Kaspers, Maxls und Loni Lechners abhängig war. Therese war schließlich weniger als ein Ich. Sie war tot, ein Niemand, nicht einmal eine Nummer. Es gab sie gar nicht. Sie war verschollen im Perlacher Forst. Was bedeutete es für Therese, daß plötzlich alles zu schwanken schien, was die Nazis als tödliche Bedrohung vor ihr aufgebaut hatten? Mußte Hitler seine Klammerfaust doch öffnen? Und wohin fielen die so lange Gefesselten? Was hieß es für Therese, daß immer mehr Menschen aus den Städten in den Isarwinkel flüchteten? Bedeutete es Hoffnung für Therese? Die Einwohnerzahl von Wiesham hatte sich seit Beginn des Krieges verdoppelt. In anderen Orten und Städten auf dem Land war es dasselbe Bild. Es gab kaum noch Brennmaterial, es hieß, es gäbe nur noch für eine Woche Mehl, dann seien alle Vorräte verbraucht. Jeden Tag kamen mehr Hungrige zu den Bauern, versuchten zu tauschen, zu betteln. Jugendliche fällten in den Wäldern Bäume, um Brennmaterial zu beschaffen. Auf dem Feld versuchten alle, Gemüse und Kartoffeln zu stehlen. In den Läden gab es bald nichts mehr zu kaufen. Besonders die Mütter kleiner Kinder waren verzweifelt. Dazu die Luftangriffe. Jeden zweiten Tag Alarm. Tiefflieger bedrohten die Menschen. Sprengtrichter rissen überall die Landschaft auf.
    Was Kaspar Lechner ihr nicht berichtete, erfuhr Therese von Maxl. Die beiden hatten wieder ihre gemeinsamenSchularbeiten aufgenommen. Therese diktierte Maxl eine Geschichte aus Hitlers Jugendzeit, die für den nächsten Tag zum Diktat ausgewählt war. Maxl hatte Tafeldienst gehabt und war allein im Schulzimmer gewesen. Da konnte er im Lesebuch des Lehrers spicken, und er fand ein Zeichen: Diktat. So konnten die beiden jetzt üben, und das war auch bitter nötig. Schreiben war für Max eine öde Zumutung. Lieber wollte er ja noch Kartoffeln klauben auf dem Feld oder Mathematikaufgaben lösen. Aber schreiben; Geschichten vom kleinen Hitler – ein elender Schmarrn. Doch Therese war unerbittlich. Sie richtete ihre Taschenlampe auf das Lesebuch, Max hockte im Flur in der Tür zum Balkon, bereit, bei jedem Geräusch auf den Balkon hinauszugehen. Therese diktierte: »An der Grenze zwischen dem Deutschen Reich und Österreich liegt das Städtchen Braunau, in dem Adolf Hitler am 20. April 1889 geboren wurde. Braunau gehört zu Österreich. Hitlers Vater war österreichischer Zollbeamter. Für den kleinen Jungen gab es dort an der Grenze allerhand zu sehen. Eines jedoch konnte er nicht begreifen. Hüben und drüben lebten die gleichen Menschen. Sie sprachen die gleiche Sprache und sahen gleich aus, aber dennoch galt auf jeder Seite des Inn ein anderer Kaiser.«
    »Ein aaaandeeerer Kaaaiseer«, wiederholte Maxl dumpf. Es war ihm schon jetzt zu Beginn der Geschichte verdrießlich. Hitler, weil der Verfasser es wollte, war ein kluges, wißbegieriges Kind, das von seinem Vater wissen möchte, warum die Österreicher zwar Deutsch sprechen, aber keine richtigen Deutschen sind, keine Reichsdeutschen. Klein-Hitler wollte aber damals schon lieber zum Deutschen Reich gehören. »In seinem jungen Herzen«, so schloß die Geschichte, »erwachte die Sehnsucht nach einem einzigen großen Reich, das alle Deutschen umschließt.«
    »Jetz hammas«, seufzte Maxl ergeben und reichte Theresesein Arbeitsheft, damit sie seine Fehler korrigieren konnte. »Mei«, sagte Maxl
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