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Beschuetz Mein Herz Vor Liebe

Beschuetz Mein Herz Vor Liebe

Titel: Beschuetz Mein Herz Vor Liebe
Autoren: Asta Scheib
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fasziniert war, als sie von ihm. Daß er um ihretwillen sein Leben nicht hätte ändern wollen. Sie, Therese, hatte nicht genügt. Punkt.
    Therese hörte wieder den Wind um das Haus streichen. Seit drei Jahren war sie hier. Aber zu Hause? Nicht einmal sie selber möchte sich hier einen Besuch abstatten. Therese weigerte sich, darüber nachzudenken, was sie war und wer sie war. Es führte zu nichts.
    Am zweiten Weihnachtstag kam Kaspar zu Therese. Er blieb eine Zeitlang in der Tür des Verschlags hocken, brachte die Geräusche des Morgens, den Geruch nach Küche. Alles ballte sich zusammen in Kaspars Schweigen. Therese spürte in dieser Sekunde, daß sie erneut würde Schmerzen ertragen müssen. Sie wollte Kaspar nicht zuhören, doch sie hörte ihn sagen, daß Mutter und Sybille nicht mehr lebten. Sie waren am Heiligabend bei Passau in die Donau gegangen.

 
    Manchmal fürchtete Therese, den Verstand zu verlieren. Sie spürte einen Druck im Kopf, einen Druck – es war, als wäre ihr Schädel in viele Teile zerborsten und eine Klammer, eine eiserne Klammer hielte die Bruchstellen zusammen. So ein knirschender Schmerz war das, der kein Dahindämmern zuließ, kein Schließen der Augen. DerSchmerz im Kopf hielt Therese unerbittlich wach, mahnte sie an ihre Versäumnisse. Wann hatte Therese zuletzt an Mutter und Sybille gedacht? Warum hatte sie beide nicht mit ihren Gedanken beschützt?
    Die Bäuerin, die Mutter und Sybille versteckt hatte, brachte nach Tagen einen Brief für Therese. Es war Mutters Handschrift.
    »Liebste Therese. Mein Kind. Wir hoffen, daß Du uns verzeihst. Aber es geht nicht mehr. Sybilles Hand ist verloren. Eine Knocheneiterung, die aus einer kleinen Verletzung entstanden ist. Sybille findet seit Wochen keinen Schlaf, und Hoffnung auf Rettung gibt es nicht. Wir können keinen Arzt aufsuchen. Du weißt ja am besten, was das heißt. Vorgestern waren Wohnungskommissare im Haus. Sie beschlagnahmen Wohnraum. Sie suchen Frauen, die sich vor dem Kriegseinsatz verstecken. Und sie suchen Juden. Sie waren auch in unserem Stadel. Wir konnten uns gerade noch hinterm Haus verstecken. Doch sie fanden Spuren von uns im Stall. Sie haben Frau Luise bedroht. Es ist für uns kein Bleiben mehr. Unsere Gedanken sind bei Dir. Du mußt für Valerie leben. Aus demselben Grund muß ich mit Sybille gehen. Ich habe zuwenig mit Euch gelebt. Nun will ich wenigstens mit Sybille sterben. Doch ich verlasse Dich nicht.«
    Mutter, Sybille. Ihr Tod ließ Therese mit einem immensen Schuldgefühl zurück. Warum hatte sie nicht jeden Tag an die beiden gedacht? Nicht jede Minute? Nicht jede Sekunde? Sybille, schöne Sybille, Schwester. Warum hab ich nicht viel mehr mit dir gemeinsam gemacht? Du warst gerecht, Sybille, klüger und leuchtender als ich. Warum hab ich nicht mit dir zu deinem Gott gebetet? Dann wäre mir der Himmel jetzt nicht so leer.
    Mutter, Sybille. Immer wieder sagte Therese beide Namen. Sie klammerte sich an die Laute, doch sie glittenbitter wie Erbrochenes aus ihrem Mund. Niemals. Dies Wort fiel Therese ein. Und sie behielt es bei sich. Niemals mehr einen Menschen lieben in dieser Zeit.
    War Therese eingeschlafen? Manchmal waren Traum und Wirklichkeit so eng miteinander verwoben, daß Therese sich in der halbherzigen Dunkelheit ihres Verschlags nicht gleich zurechtfand, wenn sie erwachte. Sie wollte sich auch nicht zurechtfinden, sie wollte weiterträumen. Von Mutter und Sybille, von Valerie, von Vater. Gerade heute hatte Therese geträumt, daß sie sich daheim im Herzogpark aus dem Fenster beugte und Valerie sah, die im Garten saß und Erdbeeren pflückte. Ganz versunken saß Valerie da. Legte ruhig eine Erdbeere nach der anderen in einen Korb. Therese fühlte, wie ihr das Glück heiß am Hals aufstieg. Wie ihr Herz pochte, sehnsüchtig und schmerzlich zugleich. Leise ging Therese in den Garten, leise, damit sie Valerie nicht störe, und sie setzte sich in die Beete, nahe zu Valerie, und plötzlich stand auch Vater da. Er hockte sich zu Therese und nahm ihre Hand. Und Therese sah, daß Vater weinte, und auch ihr kamen die Tränen. Doch dann hörte Therese eine Stimme. War es Lonis Stimme? Jedenfalls war die Störung grausam. Therese hätte alles gegeben, noch ein wenig weiterträumen zu können, noch ein wenig Valerie und Vater zu spüren.
    Therese hatte sich nicht getäuscht. Es war Loni, die sie aus ihrem Traum weckte. Nach und nach erkannte Therese Lonis Umrisse. Sie schien in einen Morgenmantel gehüllt, oder
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