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Berufen (Die Kinder des Schöpfers, Band 1) (German Edition)

Berufen (Die Kinder des Schöpfers, Band 1) (German Edition)

Titel: Berufen (Die Kinder des Schöpfers, Band 1) (German Edition)
Autoren: Marnie Schaefers
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sie die längliche Messingdose.
    Mit bebenden Fingern versuchte sie verzweifelt , diese zu öffnen, doch es wollte ihr nicht gelingen. »Zum Teufel…wirst du wohl!«
    Der Deckel sprang auf und kullerte klirrend über die Fliesen.
    »Ja«, keuchte sie. Wie sehr es sie nach dem Zeug verlangte.
    Yve hätte es nicht einmal in Worte fassen können, wenn sie sich nicht gerade im Rausch der Entzugserscheinungen befunden hätte. Wie dringend sie danach gierte.
    Alles andere wurde unwichtig. Alles andere war unwichtig, wenn sie nur ihren Stoff bekam.
    Sie begann routiniert die getrockneten Blätter zu zerreiben, als ihr auffiel, dass ihre Pfeife nicht an dem gewöhnlichen Ort lag. Von kopflosem Schrecken gepackt heulte sie auf. Wo hatte sie die Pfeife abgelegt? Wo? Wo? WO?!
    Mit schwachen Beinen erhob sie sich noch einmal – zu ihrer Erleichterung lag sie direkt auf dem Nachttisch.
    Eilig füllte sie die Pfeife auf.
    Ihr Atem wurde schneller vor freudiger Erwartung. Immerhin spüre ich überhaupt etwas , schoss es ihr durch den Kopf, als ihr für einen Sekundenbruchteil bewusst wurde, wie tief sie gesunken war. Aber es war besser, als mit dem Makel zu leben.
    Augenblick. Wo war der Feuermacher?
    » Ah.« Yve langte auf die Ablage an der Längsseite des Badezimmers.
    Durch ihre unkontrollierten Bewegungen verfehlte sie das Feuerzeug jedoch; stattdessen fegte sie es hinunter und konnte gerade noch sehen, wie es unter der Kommode verschwand.
    » Verdammt!«
    Für einen winzigen Moment konnte sie nicht wirklich glauben, dass das Feuerzeug tatsächlich aus ihrer Reichweite gerollt war.
    Dann warf sie sich überängstlich auf die Knie und versuchte die Hand danach auszustrecken. Ihr Arm war nicht lang genug. Sie jammerte. Beinah war es ihr peinlich, doch sie konnte einfach nicht damit aufhören.
    » Komm schon, komm schon…«
    Ihre Fingerspitzen streiften das Ziel und – erreichten es.
    »Ha! Ha!«, stieß sie aus. Gurgelnd vor Lachen ließ Yve sich hintenüber sinken. »Nicht mit mir…!«
    Sie fing sich wieder, als ihr das eigentliche Vorhaben wieder einfiel.
    Unter größter Vorsicht zündete sie schließlich ihre Pfeife an und nahm einen langen Zug.
    Wohlig seufzte sie auf und stieß die Rauchkringel aus. Eine süße Umarmung, die sie sich ihrer Meinung nach redlich verdient hatte.
    Noch ein paar Sekunden schwebte sie im Reich der Droge, bis der Effekt eintrat, den sie eigentlich heraufbeschwören wollte und der sie zurück in die Wirklichkeit holte. Ihr Verstand setzte wieder ein und eine Fülle von Empfindungen kam mit ihm.
    Ihr Körper hatte aufgehört zu zittern und auch die übrigen Symptome ließen nach.
    Urplötzlich musste Yve schluchzen. Es war jeden Tag das Gleiche.
    Womit habe ich das verdient? Sie schüttelte voller Selbstmitleid den Kopf. Sie war selbst Schuld, dass sie diese Gedanken überhaupt zuließ. Andernfalls könnte sie alledem mit einer eisigen Gleichgültigkeit begegnen.
    Doch damit hatte sie aufgehört. Sie wollte diese Gefühle. Sie brauchte sie.
    Es ließ sich zwar nichts daran ändern, dass sie verurteilt worden war, aber zumindest für sich selbst konnte sie nach Normalität streben. Sie hatte immer gedacht , an ihrer Andersartigkeit könne sie nichts ändern, bis ihre Tante sich selbst das Leben genommen hatte.
    Dann war sie an die Drogen geraten und aus menschlicher Sicht weit, weit abgerutscht.
    »Wer weiß überhaupt, was ich durchmache!«, knurrte sie und dachte daran, wie bemitleidenswert und abstoßend sie auf gewöhnliche Menschen wirken musste. Glücklicherweise gab es in Ral’is Dosht keine gewöhnlichen Menschen. 
    Noch ein paar Minuten kostete sie ihre Pfeife in vollen Zügen aus, dann zwang sie sich aufzustehen. Zuallererst beseitigte sie ihr Erbrochenes, danach schlüpfte sie aus ihrem Nachthemd und entschied sich für eine robuste Stoffhose und ein kariertes Hemd. Erneut auf dem Weg zum Bad schloss sie die restlichen Knöpfe.
    Diesmal entzündete sie die Lampe, um besser sehen zu können. Bedauerlicherweise hatte sie keine Wohnung in Ral’is Dosht finden können, die im Badezimmer ein Fenster besaß; dabei liebte sie hell erleuchtete Zimmer mit großen Fenstern und ein Bad wirkte gleich viel freundlicher, wenn ein wenig Licht hinein schien.
    Aber Yve war realistisch. Die meisten Wohnungen in dieser Stadt besaßen überhaupt kein Badezimmer und die meisten Bürger besaßen nicht einmal eine Wohnung. Demnach sollte sie sich glücklich schätzen, was sie daher jeden Tag aufs Neue
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