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Bernstein-Connection - Klausner, U: Bernstein-Connection

Bernstein-Connection - Klausner, U: Bernstein-Connection

Titel: Bernstein-Connection - Klausner, U: Bernstein-Connection
Autoren: Uwe Klausner
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Schampus-Lili, mit bürgerlichem Namen Anneliese Petzold, lasziv kichernd ein und setzte ihren Schlafzimmerblick auf. »Glaubst du, ich bin so blöd, es mir mit dem attraktivsten Bullen von Berlin zu verderben?«
    »Wenn schon, dann von ganz Deutschland, Lili«, flachste Sydow zurück, durch einen Blick in den Spiegel hinter dem Tresen eher vom Gegenteil überzeugt. Na ja, von attraktiv konnte in Bezug auf sein Konterfei momentan wirklich nicht die Rede sein. Dreitagebart, Augenschatten, zerknittertes Jackett und zu allem Überfluss noch die ersten grauen Strähnen im Haar. Wie der Polizeipräsident auf die Schnapsidee gekommen war, gerade ihn zum Leitenden der Mordinspektion I befördern zu wollen, würde für immer sein Geheimnis bleiben. Sydow schloss die blassblauen Augen und inhalierte tief. Der Job als Kripo-Beamter machte ihm Spaß, keine Frage. Und das nach mittlerweile fast 15 Jahren. Was ihm dagegen überhaupt keinen Spaß machte und ihn mitunter sogar beinahe in den Wahnsinn trieb, war der Papierkram, von dem er derzeit regelrecht überschwemmt wurde. Statistiken, Akten und Formulare. Allein der Gedanke an eine Zukunft im Innendienst trieb ihm den Angstschweiß auf die Stirn. Soll sich der Herr Polizeipräsident doch einen anderen Trottel vom Dienst suchen!, entschied Sydow und bedeutete dem Barkeeper, ihm einen Doppelten nachzuschenken. Auf einen Schreibtischjob konnte er getrost verzichten. Dafür waren andere bestimmt besser geeignet als er.
    »Warum so nachdenklich, Tommy-Schatz?«
    Ach ja, Lili, die hätte er beinahe vergessen. »Nur ein bisschen müde, weiter nichts«, hatte Sydow eine eher halbherzige Entschuldigung parat, nicht willens, sein Seelenleben zu offenbaren. »Jede Menge zu tun, weißt du.«
    »In den besten Jahren, ein Bild von einem Mann und immer noch nicht unter der Haube!«, seufzte die Animierdame und sah Sydow kopfschüttelnd an. »Was für eine Verschwendung.«
    »Findest du?«
    Das Busenwunder im Häschenkostüm nickte resolut. »Ja, finde ich. Weißt du was, Sonnyboy? Ich denke, du solltest dir endlich mal ’ne Frau zulegen. Arbeit allein macht nämlich nicht glücklich.«
    »Aber sie lenkt ab«, hielt Sydow dagegen, wohl wissend, dass Lili recht hatte. Seit dem Tod von Rebecca waren bereits acht Jahre vergangen, seit dem Techtelmechtel mit Gladys beinahe fünf Jahre, in denen er wie ein Besessener geackert, im Grunde jedoch immer mehr zum Einzelgänger verkommen war. Hätte es seine nunmehr bald 80-jährige Tante Lu nicht gegeben, unter deren fürsorglicher Fuchtel er sich befand, wäre es ihm vermutlich noch viel dreckiger gegangen. »Kann mich vor ihr zurzeit kaum noch retten.«
    »Wem sagst du das!«, tat die Animierdame im Brustton der Überzeugung kund, zog an ihrer Fluppe und blies ihrem Nebenmann, dessen Knollennase in ihrem Ausschnitt zu versinken drohte, den Rauch ins Gesicht. »Besonders in den letzten paar Tagen.«
    »Na, dann sieh mal zu, dass du keine Kreuzschmerzen …«, begann Sydow, dessen rabenschwarzer Humor, ein Erbteil seiner englischen Mutter, wieder einmal zum Vorschein kam. Ein Ausruf des Barkeepers erstickte seine Witzeleien im Keim.
    »Ruhe im Puff!«, röhrte der ehemalige Boxer, der es sogar bis zum Sparringspartner von Max Schmeling gebracht hatte, und presste ein Transistorradio ans Ohr. »Ruhe, verdammt noch mal, sonst gibt’s was auf die Schublade!«
    Die Geburtstagsgäste von Erna Pommerenke, der unumstrittenen Kreuzberger Bordellkönigin, verstummten auf einen Schlag und wandten die Blicke dem Tresen zu. Das Ohr am Lautsprecher, würdigte der Barkeeper die versammelte Halbwelt jedoch keines Blickes, mit jeder Faser seiner zweieinhalb Zentner auf die Stimme aus dem Radio konzentriert: ›Die Delegation der Bauarbeiter der Stalinallee, die uns heute Nachmittag im RIAS [11] aufsuchte – als ihre Kundgebung bereits den Sieg registrieren konnte –, sie war so siegesbewusst, dass ihr das Zugeständnis der sowjetdeutschen Regierung, der Rückzieher bezüglich der Normenerhöhung, nicht genug schien. Wir, verehrte Hörerinnen und Hörer, wir würden uns glücklich schätzen, wenn wir Ihnen in den nächsten Tagen von weiteren Siegen berichten könnten.‹
    »Das glaubst doch wohl selbst nicht!«, polterte Sydows Nachbar zur Linken, nachdem die Sendung beendet war. Kurt Smuda, nach eigenen Angaben Antiquitätenhändler, laut Polizeiakte jedoch Schieber, Hehler und Kunstfälscher in einer Person, winkte ab und brach in höhnisches Gelächter aus.
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