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Bernstein-Connection - Klausner, U: Bernstein-Connection

Bernstein-Connection - Klausner, U: Bernstein-Connection

Titel: Bernstein-Connection - Klausner, U: Bernstein-Connection
Autoren: Uwe Klausner
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jüngsten Sohnes, mit unüberhörbarem Tadel ins Wort. »Mit der Kirche wollen wir es uns doch wohl nicht verderben, oder?«
    »Das verhüte …«, schickte Orlow sich an, den Ball aufzunehmen, eine Schnupftabakdose in der linken Hand.
    Es war der Wandermönch, der den Satz vollendete, und zwar so, dass es dem Offizier die Sprache verschlug.
    »Wag es nicht, Sünder …«, presste der Starez hervor und funkelte den eingedenk seiner erotischen Kunstfertigkeit in den Grafenstand erhobenen Salonlöwen wütend an, »wag es nicht, den Namen des Herrn in den Mund zu nehmen. Sonst wird es ein böses Ende mit dir nehmen.«
    »Oder mit dir!«, ergänzte die Zarin, des Schauspiels überdrüssig, während sie sowohl Orlow als auch der hereinstürmenden Palastwache mit erhobener Hand Einhalt gebot. »Und deshalb: Sage Er mir, was Er loswerden möchte, Mönch, und rede Er nicht andauernd um den heißen Brei herum!«
    Unter den Offizieren, Lakaien und Hofdamen, die sich mit angehaltenem Atem Luft zufächelten, erhob sich affektiertes Gelächter. Katharina die Große schien es nicht zu bemerken. Anscheinend ganz in ihr Spiel vertieft, legte sie ein Ass auf den Tisch, ließ den Arm auf dem mit Seidendamast bespannten Stuhl ruhen und hauchte mit kaum hörbarer Stimme: »Ich höre.«
    »Kehre um, Deutsche, bevor es zu spät für dich ist«, stieß der Mönch hervor, während draußen im Park allmählich die Abenddämmerung hereinbrach. Im Licht der Kerzen, welche die Wände des Bernsteinzimmers wie flüssiges Gold erstrahlen ließen, warf seine Gestalt einen unheimlichen Schatten an die gegenüberliegende Wand, was den Starez wie einen dem Erdboden entstiegenen Dämon erscheinen ließ.
    »Und was, wenn ich es nicht tue?«, erwiderte die Zarin scheinbar ungerührt.
    »Dann, Herrscherin aller Reußen«, dröhnte der Bass des Sibiriers von den mit Bernsteinpaneelen, Spiegelpilastern und Steinmosaikbildern geschmückten Wänden wider, »wird der Zorn Gottes auf dieses Land herniederfahren, und es wird ein Blutbad geben, wie es die Welt bis dato nicht gesehen hat.« Die pechschwarzen Augen des Mönchs verengten sich, und sein Blick, durchdringender denn je, schien die 35-jährige Herrscherin förmlich zu durchbohren. »Millionen werden elendiglich zugrunde gehen, der Leib von Mütterchen Russland wird auf das Widerwärtigste geschändet werden. Kein Stein wird auf dem anderen bleiben, und ein Feuersturm wird über das Land hinwegfegen, schlimmer als alles, was sich menschliche Fantasie auszumalen vermag.«
    »Und wann wird es so weit sein?«, spöttelte Orlow und sah sich Beifall heischend um. »Damit ich Reißaus nehmen kann, bevor die Welt untergeht.«
    Die erhoffte Wirkung seiner Worte blieb indes aus, und es gab nicht wenige, die sich spontan bekreuzigten. Doch das war erst der Anfang. Kaum waren Orlows Worte verklungen, war in der Ferne dumpfes Donnergrollen zu hören. Wie um den Spötter Lügen zu strafen, flog plötzlich eines der Fenster auf. Ein Windstoß fegte durch den Saal, mit einer Heftigkeit, dass er Dutzende von Kerzen zum Erlöschen brachte. Ein dämonisches Lächeln im Gesicht, sah sich der Sibirier triumphierend um. Dann reckte er sein Brustkreuz in die Höhe und setzte seine Tirade fort: »Und es wird kommen der Tag«, verkündete er, den Blick auf die wie versteinert wirkende Zarin geheftet, »an dem das Geschlecht, dem du, Herrscherin aller Reußen, angehörst, vom Angesicht der Erde getilgt werden wird, und mit ihm alles, was an dich und deinesgleichen erinnert. Und siehe, der Letzte aus dem Stamm der Romanows wird ein qualvolles Ende erleiden, und mit ihm alle, die sich um seinen Thron scharen werden. Aus dem Aschehaufen, den dein verderbtes Geschlecht hinterlässt, wird sich ein Tyrann erheben, schlimmer als alle Despoten, welche die Geschichte kennt. Neues, unermessliches Leid wird kommen über unser schwer geprüftes Land, aus dem Westen, von wo aus jene Horden, schlimmer noch als die Tataren, wie Luzifers Heerscharen über unser Land herfallen werden, mordend, sengend, plündernd und alle jene zermalmend, die sich ihnen in den Weg stellen. Nichts wird mehr so bleiben, wie es war, nicht einmal dieses Zimmer, welches der Beutegier der fremden Barbaren zum Opfer fallen wird. Hast du gehört, Herrscherin der Reußen? Nicht einmal dieses Kabinett, in dem du dich niedergelassen hast, um dem Laster, dem Müßiggang und der Sünde zu frönen.«
    »Damit du es weißt, Mönch –«, entrüstete sich die Zarin und sprang
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