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Berndorf, Jacques (Hrsg)

Berndorf, Jacques (Hrsg)

Titel: Berndorf, Jacques (Hrsg)
Autoren: Tatort Eifel 2
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hustete.
    Eilig rührte die Alte den Zucker in meine Tasse.
    Der Alte flüsterte: »Trinken Sie bitte aus, sonst heult sie wieder den ganzen Abend.«
    Ich wollte protestieren, bin schließlich kein Altenpfleger, aber da hörten wir einen Wagen vorfahren.
    »Das wird Jochen sein«, sagte der Alte.
    Also los. Ich stürzte den Kaffee hinunter und stand auf. Ein Schwindel packte mich.
    »Hat Ihnen mein Kaffee geschmeckt?«, fragte die Alte und hielt mich am Ärmel zurück.
    »Bisschen bitter«, antwortete ich ehrlich.
    »Kommt von der Herbstzeitlose«, grinste mich die Alte an.
    »Oder das Zyanid«, ergänzte der Alte, »ist doch bestimmt auch wieder drin, oder, Schätzchen?«
    In meinen Ohren rauschte es. Der Boden schien sich zu bewegen.
    »Buchsbaum auch«, lachte die Alte schrill.
    Plötzlich krampfte mein Magen, keuchend klappte ich zusammen. Meine Beine gaben nach, ich stürzte. Ich verlor kurz das Bewusstsein. Als ich wieder die Augen öffnete, befand sich die Wohnzimmerdecke genau gegenüber.
    Das Gesicht der Alten schwebte über mir. »Bitte nicht böse sein. Aber Jochen ist unser einziger Sohn. Wir können doch nicht zulassen, dass ihm etwas zustößt.«
    »Woher wussten Sie …«, presste ich hervor. Mein Herz raste wie ein Technobeat.
    »Sie sind nicht der Erste. Ihr seht doch alle gleich aus«, kicherte die Alte, »Mein Mann und ich halten unserem Jungen den Rücken frei. Dafür dürfen wir bei ihm wohnen.«
    Anfängerfehler, rollte es mir durch den Kopf.
    Dann wieder Schwärze.
    Ich höre einen Motor aufheulen, dann quietschende Reifen. Die Schmerzen werden schwächer. Nur ein paar Minuten ausruhen. Dann werde ich meine Wut an den Jacketkronen auslassen. Und wenn ich diesen Jochen erwische, dann breche ich ihm jeden Finger, alle zehn, nacheinander.
    Und die Zehen dazu.
    Aber erst mal ausruhen.
    Was ist denn das für ein Licht dahinten?
    Angenehm.
    Werde ich mir mal aus der Nähe ansehen.

Likörchen, Paulchen?
    von R ALF K RAMP
    Man konnte nicht behaupten, dass es Paul in der Gesellschaft seiner Tanten Traudel und Franzi jemals langweilig gewesen wäre. Die beiden unverheirateten Seniorinnen waren zusammen schon längst weit über hundertfünfzig Jahre alt, und Paul musste sich jeden Monat etwas Reizendes einfallen lassen, damit ihm die Tanten gewogen blieben. Sie bewohnten ein kleines, dreistöckiges Haus in der Fußgängerzone von Gemünd mit einem ehemaligen Ladenlokal im Erdgeschoss, das sie seit geraumer Zeit als Wohnung an eine achtköpfige deutschrussische Familie vermietet hatten. Sie spielten Bridge und pflegten enge Kontakte zu alten Freunden im Seniorenheim am Salzberg. Sie besuchten ab und an das alte Kino und sahen sich mit Vorliebe Actionfilme an. An gesellschaftlichem Leben und Zerstreuung mangelte es den beiden Damen nicht, und wenn der monatliche Ausflug mit dem Neffen Paul anstand, dann verlangten sie nach etwas Spektakulärem. Da durften es dann auch schon mal ein Rundflug vom Flugplatz Dahlemer Binz oder sogar heimliche Schießübungen mit einer alten Armeepistole in einem abgelegenen Winkel des Kermeter sein.
    Mit Schaudern erinnerte sich Paul an eine Runde im Tourenwagen auf dem Nürburgring oder an die Ballonfahrt. Wenn der Zirkus in Euskirchen gastierte, kraulten sie den Löwen die Mähnen, und auf dem grässlichsten Karussell der Kirmes schrien sie begeistert »Jaaa!«, wenn die Stimme aus den Lautsprecher diabolisch fragte: »Noch eine Ehrenrunde?« Paul hing derweil mit grauem Gesicht in seinem Haltegurt und versuchte, sein Mittagessen dort zu behalten, wo es hingehörte.
    Er tat all das nicht etwa, weil ihn ein üppiges Erbe lockte, oder weil er sich sonst wie einen Vorteil verschaffen wollte. Er liebte seine beiden alten Tanten, und, ja, er fühlte sich auf eine unerklärliche Weise verantwortlich für sie.
    Tante Traudel und Tante Franzi pflegten jedes ihrer gemeinsamen Abenteuer mit ein, zwei Gläschen selbst gemachtem Likör einzuläuten. Alles, was in ihrer Umgebung wuchs und gedieh und sich im entsprechenden Moment nicht wehrte, wurde seit jeher von Tante Franzi unter Verwendung von Kandiszucker und hochprozentigem Alkohol in flüssiges Feuer verwandelt. Beeren, Kräuter, Blüten, Tannenspitzen, Lakritz, Kaffee … was immer die Tanten auch in ihre knotigen Finger bekamen. Paul traute sich nie, sich vollständig zu verweigern, und nach einem kleinen Schlückchen war die Sache dann auch erledigt, da er ja zumeist den Chauffeur spielte.
    »Likörchen, Paulchen?«, fragte
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