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Berndorf 07 - Trotzkis Narr

Berndorf 07 - Trotzkis Narr

Titel: Berndorf 07 - Trotzkis Narr
Autoren: Ulrich Ritzel
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dass ich dich hier treffe, wir müssen reden … So und nicht anders!
    Aber niemand blickt zu ihr auf. Sie wirft einen Blick in das Nebenzimmer, aber dort tafelt eine Geburtstagsgesellschaft. Eilends schließt sie die Tür wieder und geht nach draußen und weiter, wieder kommt ein See in Sicht, am Ufer steht, von Bäumen beschattet, eine Parkbank, zwei Männer sitzen dort, man sieht nur ihre Rücken, der eine ist nach vorne gebeugt, als studiere er irgendwelche archimedischen Kreise, die er in den Sand gezeichnet hat.
    Sie ist schon dabei, weiterzugehen, als sie doch noch stehen bleibt. Jetzt, sagt eine Stimme in ihrem Kopf, geh hin! Da vorne, das ist er doch! Plötzlich erschrickt sie vor sich selbst und macht einen Schritt zur Seite, hinter einen alten Baum mit mächtigem Stamm.
    Einige Meter weiter steht eine großgewachsene Frau mit langem braunem Haar und spricht in ein Handy. Unterm Telefonieren wirft sie ihr einen wachsamen Blick zu, die Augenbrauen leicht hochgezogen.
    S ie sind das schon wieder!«, sagt Conny Adameit und äugt durch den Türspalt. »Paul ist nicht da.«
    »Tut mir leid, wenn ich ungelegen komme«, sagt Berndorf. »Dann werde ich wohl draußen auf ihn warten … Sie haben ihm von meinem Besuch erzählt?«
    »Das habe ich.« Ihr Ton ist grimmig und abweisend. »Ich hätte es nicht tun sollen. Die Erinnerungen an früher tun ihm nicht gut.«
    »Das kann ich verstehen«, meint Berndorf. »Trotzdem wäre es für ihn wichtig, mit mir zu reden.«
    »Ach wissen Sie …« – Während sie das sagt, öffnet sie nun doch die Tür. »Wann immer jemand zu Paul gekommen ist und gesagt hat, das und das sei jetzt wichtig, dann war es für den anderen wichtig und nie für Paul! Aber wenn Sie schon hier stehen, dann kommen Sie in Gottes Namen herein.«
    Berndorf folgt der Frau in das kleine, vollgestellte Wohnzimmer und bleibt dort vor der Regalwand stehen – ein paar Buchreihen, unterteilt von Fächern, in denen das Kaffeeservice und die Kognakschwenker und die Karaffe mit dem Weinbrand aufgestellt sind, auf halber Höhe ist ein großes freies Fach ausgespart, ein Landschaftsbild hängt dort und zeigt einen der Berliner Seen in unvermeidlicher Abendstimmung, darunter sind auf einem Regalbrett gerahmte Fotografien aufgestellt. Berndorf erkennt den Mann, den er auf dem Friedhof beobachtet hat, eine der Aufnahmen muss ein Schnappschuss gewesen sein und zeigt ihn jung, kräftig und mit aufgekrempelten Ärmeln. Weiter hinten auf dem Regalbrett entdeckt er ein Portraitfoto in ovalem Rahmen, das Foto einer jungen Frau mit kurzen blonden Haaren und einem kecken und energischen Zug im Gesicht.
    »Das ist die Wally«, sagt Conny Adameit, »seine erste … das war seine Frau, sie hat sich …«
    »Sie hat sich umgebracht«, vervollständigt er den Satz. »Ich weiß. Von Ihnen gibt es kein Foto?«
    »Bin nicht hübsch«, kommt es knapp und schnippisch. »Muss nicht fotografiert werden.«
    Berndorf weiß nicht, was er dazu sagen soll, und wechselt das Thema. »Auf der Beerdigung Regulskis waren Sie nicht? Ich habe Sie dort nicht gesehen.«
    »Hören Sie, das geht Sie doch alles gar nichts an … aber wenn Sie schon fragen – all das, die Geschichte mit seiner Frau und dann das mit seinem Schwager Regulski, das gehört zu Pauls Welt. Und wenn er mal wieder auf den Friedhof zu seiner toten Frau geht, dann will er mich nicht dabeihaben und mich seiner Wally auch gar nicht erst zeigen. Also bleibe ich brav zu Hause … Aber was wollen Sie jetzt eigentlich genau von ihm wissen?«
    »Das habe ich Ihnen doch gesagt. Er soll mir nur sagen, ob er sich an diesen Obdachlosen von zweiundneunzig erinnert, der in dem Neubau an der Torstraße biwakiert hat …«
    »Das ist zwanzig Jahre her!«
    »Eben«, sagt Berndorf. »Wenn er diesen Obdachlosen nicht eigenhändig totgeschlagen oder das Treppenhaus hinuntergeworfen hat, ist alles andere verjährt. Das ist auch der Grund, warum er ruhig mit mir reden kann … Einen Augenblick, bitte!« Rechts am Regalbrett lehnt griffbereit ein frankierter Brief, der offenbar zur Post gebracht werden soll. Ohne auf den Protest der Conny Adameit zu achten, nimmt Berndorf den Brief und betrachtet ihn, er ist an eine Christa Sowieso in Berlin-Hellersdorf, gerichtet, Postleitzahl 12627 …
    »Lassen Sie Ihre verdammten dreckigen Pfoten von diesem Brief!«, fährt ihn Conny Adameit an, »das ist eine Freundin von mir!«
    Berndorf legt den Brief zurück und lächelt sie freundlich an.
    »Was grinsen Sie
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