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Berndorf 07 - Trotzkis Narr

Berndorf 07 - Trotzkis Narr

Titel: Berndorf 07 - Trotzkis Narr
Autoren: Ulrich Ritzel
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so blöd?«
    Er greift in die Brusttasche seines Sakkos und holt ein zusammengefaltetes Blatt Papier heraus. Es ist die vergrößerte Kopie, die ihm Finklin gezogen hat. Er faltet sie auseinander und zeigt sie ihr. »Sehen Sie, deswegen hat mich der Brief interessiert – das Be und das Ce, jedesmal sehr schwungvoll ausgeführt, in Bauernende wie in Berlin, in Crammenow wie bei Christa, und beide Male die Sieben mit dem Querstrich …«
    »Und? Viele Leute schreiben so.«
    Berndorf senkt ein wenig den Kopf und blickt ihr in die Augen. Aber sie hält dem Blick ungerührt stand. Dann klingelt sein Handy, er bittet um Entschuldigung und meldet sich, die Anruferin ist Tamar. »Wir sind hier am Kleinen Stadtparkteich, aber die Sache wird merkwürdig …«
    Berndorf beendet das Gespräch, dann nickt er Conny Adameit zu. »Wir wollen die Sache jetzt zu einem Ende bringen. Es ist für Paul besser, wenn Sie dabei sind. Kommen Sie!«
    E s ist kühl geworden, eine graue Wolkenfront hat den Himmel überzogen, bald wird die Dämmerung einsetzen. Der kleine Teich liegt still und spiegelt den dunklen Himmel, manchmal paddelt eine Stockente oder ein Haubentaucher vorbei und zieht winzige Bugwellen hinter sich her. Noch immer sitzen die beiden Männer auf der Bank. Von Zeit zu Zeit versucht Keith die Finger der linken Hand zu bewegen, um etwas Leben in den verletzten Arm zu bringen. Hintze hat schon lange nichts mehr gesagt. Eigentlich hat er überhaupt nichts gesagt.
    Vielleicht sollte er noch einmal vorschlagen, dass sie irgendwo ein Bier trinken, denkt Keith. Aber wenn Hintze wieder nur schweigt, dann ist auch dieser Ausweg verbaut.
    »Noch ein Platz frei?«, fragt eine Stimme hinter ihnen. Keith blickt auf. »Ach Sie!«, sagt er dann. »Ich hätte es mir denken können … Paul, das ist der Herr Berndorf, vielleicht hast du ihn auf der Beerdigung von Jonas gesehen.«
    Wortlos weist der Mann, der Paul genannt wird, mit der Hand auf den freien Platz neben sich. Berndorf dankt und lässt sich auf der Bank nieder. Draußen auf dem See setzt ein Wasservogel zum Tauchen an und ist auch schon verschwunden. Berndorf wartet, bis der Vogel wieder auftaucht, ein paar Meter weiter und ganz woanders, als er es erwartet hat.
    »Es ist spät geworden«, sagt Berndorf schließlich. »Wir sollten uns ans Aufräumen machen, Kollege Keith.«
    »Ach! Sie sind von der Stadtreinigung?«, spottet Keith. »Das ist mir neu.«
    »Sehen Sie nicht, dass der Mann hier am Ende ist?«, fährt Berndorf fort und deutet auf Paul Hintze. »Dass er nicht mehr kann?«
    »Was geht Sie das an?« Paul Hintze spricht mit leiser, gleichgültiger Stimme und muss sich dabei räuspern.
    »Es geht vor allem Sie selbst etwas an«, antwortet Berndorf. »Sie können so nicht weitermachen. Sie übrigens auch nicht, Kollege Keith.«
    »Lass ihn reden, Paul«, sagt Keith. »Er ist ein Wichtigtuer. Ein Trittbrettfahrer. Er wird schon wieder gehen.«
    »Haben Sie Patzert eigentlich kennengelernt, als er bei der Freiwilligen Polizeireserve war, Kollege Keith? Sie wissen doch: Patzert, der Mann, der Ihnen den Lutz Harlass vermittelt oder angeschleppt hat …«
    Keith hat sich auf der Bank zurückgelehnt und blickt, die Arme verschränkt, auf den See hinaus. Hintze sitzt nach vorne gebeugt und zeichnet, einen kleinen abgebrochenen Stecken in der Hand, Striche in den sandigen Boden, einen gerade, einen quer.
    »Sie müssen nicht mit mir reden«, fährt Berndorf fort. »Die meisten Fragen sind ja schon beantwortet. Sie und Jonas Regulski hatten ja alle Informationen über das Netzwerk, das Giselher Marcks aufgebaut hat, dieses Netzwerk, dem sich niemand entziehen konnte, der hier einen größeren Auftrag bekommen wollte … Selbstverständlich wusste man auch bei der Firma Kübler und Schockenhoff Bescheid, nicht wahr, Herr Hintze?«
    »Lassen Sie mich in Frieden!« Mit dem Fuß fährt Hintze über die Kreuze, die er in den Boden gezeichnet hat, und löscht sie aus.
    »Ich will Sie auch in Frieden lassen«, sagt Berndorf. »Es waren auch gar nicht Sie, sondern es war Conny Adameit, die in der Buchhaltung von Kübler und Schockenhoff Bescheid wusste, Bescheid zum Beispiel über den flinken Gutachtenschreiber Finklin in Crammenow, sie hat sogar eines dieser Gutachten besorgt, samt Namen und Adresse des wahren Verfassers … Und so hatten Sie eigentlich alle Informationen beisammen, Kollege Keith, aber zur Staatsanwaltschaft gingen Sie trotzdem nicht, Sie wussten, es wäre zwecklos gewesen.
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