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Berlin Gothic: Thriller

Berlin Gothic: Thriller

Titel: Berlin Gothic: Thriller
Autoren: Jonas Winner
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der Fahrer das Gaspedal durchdrückt, dumpf vibriert die Antriebswelle unter Butz’ Füßen. Ein feines Piepen bohrt sich durch die Geräuschwand, die ihn umfängt. Sein Auge zuckt in dem beengten Wagen umher.
    Anzeigen, Kabel, Schläuche.
    Ein Assistenzarzt stülpt der Frau eine Atemmaske über Mund und Nase, drückt das Gerät auf ihr Gesicht. Der Notarzt schlägt die Aluminiumdecke beiseite - Butz wendet den Blick ab, um die Verletzung nicht zu sehen.
    Der Arzt macht sich daran, die Wunde zu versorgen - während der Körper der Frau zu zittern beginnt. Die beiden Mediziner wechseln einen Blick, Butz sieht, wie der Notarzt seinem Kollegen zunickt. Der hebt die durchsichtige Maske von ihrem Gesicht - Butz schiebt sich dicht über sie. Fast berührt seine Wange die Lippen der Frau. Er spürt, wie sie sich bewegen.
    „Hhhhhrggg.“
    Mehr ein Hauch als ein Laut.
    „Was?“
    Butz dreht den Kopf, sieht ihre aufgerissenen Augen vor sich, deren Glanz etwas Blendendes bekommen hat, wie eine Glühbirne, die kurz davor steht durchzubrennen. Unwillkürlich schiebt er eine Hand unter ihren Hinterkopf, als könnte er so ihren Sturz aufhalten.
    Im gleichen Moment verrutscht der Boden, er prallt gegen die Wand des Fahrzeugs, es klirrt. Der Motor heult auf, der Rettungswagen schlingert.
    Sie stehen.
    Es knallt, als der Assistenzarzt die Hintertür aufstößt. Der Regen peitscht herein. Schwarz gähnt unter ihnen die Baugrube, sie haben erst gut die Hälfte der Sandrampe geschafft. Das Fahrzeug ist auf der schlammigen Piste abgesackt, die Räder wühlen sich in den Schlamm.
    Butz sieht zurück zu der Frau. Das Motorengeräusch scheint unmittelbar hinter seinen Augäpfeln zu rasen.
    Da fühlt er, wie ihre Hand seinen Arm berührt - dann wird der Glanz in ihren Augen von einer trüben Welle überspült.
    Butz drückt sich gegen die Wand des Fahrzeugs, um dem Notarzt Platz zu machen. Der Piepton, der ununterbrochen weitergegangen ist, wandelt sich zu einem durchgehenden Pfeifen.
    Im gleichen Moment greifen die Räder in dem aufgeweichten Erdreich wieder, der Wagen macht einen Satz nach vorn. Butz’ Magen ruckt in seinem Bauch - er versenkt seinen Mund in der Armbeuge.
    Der Blick des Assistenzarztes streift ihn. Butz nickt. Ja, er will aussteigen. Er schiebt sich hinter dem Arzt zur noch immer geöffneten Hintertür und springt ins Freie. Der Regen kommt in weiß leuchtenden Fäden aus scheinbar unendlicher Höhe auf ihn herunter. Der Notarztwagen steht wieder, die Sirene ausgeschaltet, das Blaulicht verloschen. Um Butz herum ist alles schwarz, nur in dem gelben Rechteck, als das er das Innere des Wagens in der Dunkelheit leuchten sieht, schalten die beiden Mediziner die noch immer blinkenden Geräte ab, zwischen denen seltsam reglos, geschrumpft, eingefallen die Leiche der jungen Frau liegt.

7
     
    „Könnten Sie mir die vielleicht mal borgen?“ Butz nickt zur schweren Taschenlampe, die der Schutzpolizist mit angewinkelt erhobenem Arm auf der Höhe seiner Augen hält. „Die sind ja jetzt soweit.“ Er deutet auf die Kollegen, denen der junge Mann leuchtet und die gerade dabei sind, einen Scheinwerfer aufzustellen.
    Es klackt, surrt, knistert - dann schlägt der grelle Lichtkegel aus dem Halogenscheinwerfer heraus auf den Boden zwischen den Fahrzeugen. Der Schutzpolizist zuckt mit der Schulter, reicht Butz das Gerät.
    „Oben ist ein Starbucks, hab ich gesehen, als ich gekommen bin.“ Butz nimmt die Lampe. „Hohlen Sie sich doch einen Kaffee.“ Er deutet mit dem Lichtstrahl in den hinteren Bereich der Baugrube. „Ich seh mich solange hier um und gebe sie Ihnen dann gleich wieder.“ Ohne eine Antwort abzuwarten, stapft er in die Richtung, die er gewiesen hat.
    Der Regen hat ein wenig nachgelassen. In dem Lichtfleck, der vor ihm über den Boden huscht, kann Butz Fahrzeugspuren, Pfützen, teilweise auch Betonstrukturen erkennen, die bereits eingezogen worden sind. Er achtet darauf, nicht zu stolpern, bewegt sich langsam vom Fundort der Leiche weg. Kaum hat er den Scheinwerfer hinter sich, beginnt der Nachthimmel tiefblau über ihm zu schimmern. Die Stimmen der Kollegen, die sich rings um die Fundstelle tummeln, versinken langsam im Rauschen der Nacht. Am Rand der Grube ragen die Silhouetten der Mietshäuser auf, die auf den angrenzenden Grundstücken stehen - zum Teil Brandmauern noch aus Kriegszeiten, die nur weit oben, im vierten oder fünften Stock durch winzige, später hineingemeißelte Fenster durchbrochen werden.
    Butz
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