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Berlin Gothic: Thriller

Berlin Gothic: Thriller

Titel: Berlin Gothic: Thriller
Autoren: Jonas Winner
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vierzig Meter nach vorn katapultierten. Schwerelos und entfesselt durchmaß er den Raum vor dem Fernsehturm, dessen Spitze in den Sonnenstrahlen bereits badete, während sich über dem Boden, über den Till hinwegschwebte, noch die letzten Reste der feucht-kühlen Nacht gehalten zu haben schienen.
    Im gleichen Moment riss das entrückte, stumme Getragenwerden plötzlich auf - und das heisere Keuchen, mit dem er nach Luft rang, drang zu Till durch. Jetzt hörte er das Stampfen seiner Beine, die wie hölzerne Säulen in den Boden stießen, das Poltern seines Herzens, das Pfeifen seiner Lunge. So abgehoben er zuerst geflogen war, so schwerfällig musste er sich jetzt weiterkämpfen, nicht länger beflügelt durch einen Rückenwind, der ihn vorantrug, sondern hinuntergezwungen von einer scheinbar verzehnfachten Anziehungskraft.
    Till spürte, wie der Rucksack auf seinem Rücken tanzte, spürte, wie der Mann hinter ihm nach ihm griff - sah, wie die mächtige Straße, die den Platz vor ihm in zwei Hälften schnitt, mit jedem Schritt näher kam. Schon hatte er die parkenden Autos erreicht, war durch sie hindurch, die Spree, den Dom, die Linden vor Augen …
    … als seine Füße mit einem Mal den Boden unter sich verloren. Ein heißer Druck in die Seite - ein verzögertes Quietschen - ein Poltern und ein stechender Schmerz in der Brust - ein Schlag, als hätte sich der Asphalt plötzlich aufgebäumt, um ihm eine Ohrfeige zu geben.
    Dann war es still.
     


     
    Ein Autoreifen, dicht vor Tills Augen. Dahinter konnte er die Aufhängung erkennen, den schwarz verkrusteten Boden des Fahrzeugs. Er sah, wie ein Paar Damenschuhe mit halbhohen Absätzen auf der anderen Seite des Fahrzeugbodens auftauchten, auf dem Asphalt landeten, wieder aus seinem Blickfeld verschwanden.
    Till rollte auf den Rücken. Über ihn waren Gestalten gebeugt. Sie blickten hastig hin und her und ihre Münder bewegten sich, aber er konnte nicht hören, was sie sagten oder ob sie überhaupt etwas sagten. Zwei Männer, einer jünger, einer etwas älter, eine dicke Frau mit groben Zügen. Dann legte sich eine Hand auf seine Schulter, als würde ein Schmetterling darauf landen, und er roch einen Duft, so lieblich, wie er ihn noch nie gerochen hatte.
    Das Gesicht einer jüngeren Frau schob sich vor den Himmel, in den er hinauf sah - ihr Blick verschreckt, die Haare herabhängend, so dass sie fast seine Stirn streiften. Eine dünne Kette baumelte an ihrem Hals, ihre Lippen waren geschminkt und bewegten sich, aber er konnte nicht hören, was sie sagte - nur ein entferntes Rauschen, das wirkte, als hätte man seine Ohren mit Watte verstopft.
    Till lächelte und sah, wie sich das Gesicht der Frau ein wenig aufhellte. Sie schaute zu einem der Männer auf, die über ihr standen.
    „ … noch in der Schleife, sie müssen gleich dran sein“, drang es zu ihm durch und erst jetzt bemerkte er, dass sie ein Handy am Ohr hatte.
    Er keuchte. „Was?“ Seine Stimme dröhnte in seinen Ohren.
    „Beruhige dich, Kleiner“, hörte er jemanden hinter sich sagen. Er drehte den Kopf und schaute in das gutmütige Gesicht eines Mannes hinein, der hinter ihm auf dem Boden kniete. „Der Krankenwagen muss jeden Moment da sein.“
    Till riss sich hoch - es gelang ihm, einen Arm aufzustützen, beinahe wäre sein Kopf mit dem der Frau zusammengestoßen. „Wieso denn - mir geht es gut!“
    Sie würden sofort rauskriegen, wer er war - sie würden ihn zurückschicken! Till sah, wie ihn die Frau verblüfft anblickte.
    „Ich brauch keinen Arzt!“ Er sprang auf, seine Beine zitterten, aber er achtete nicht darauf.
    Im gleichen Moment veränderte sich ihr Gesichtsausdruck.
    „Ja, Bentheim hier“, sagte sie in ihr Handy und erhob sich ebenfalls.
    „Nein!“ Till wäre beinahe in Tränen ausgebrochen. Das konnte doch nicht sein! Er schaffte es einfach nicht mehr! Er konnte nicht schon wieder loslaufen. Sah sie das denn nicht? „Bitte, Frau Bentheim, wirklich, mir geht es prima, es ist nur … “ Er schnaufte.
    „Warten Sie“, sagte sie in ihr Handy und sah ihn an. „Du darfst so einen Unfall nicht unterschätzen - “
    Ein langgezogenes Hupen unterbrach sie. Erst jetzt bemerkte Till, dass sie mitten auf der Straße standen, vor dem Wagen, aus dem die Frau gestiegen war - dass sie den ganzen Verkehr blockierten, der sich hinter dem Auto die Straße hinauf staute. Durch die Windschutzscheiben der anderen Autos hindurch konnte Till die ratlosen, bittenden, ärgerlichen Gesichter der
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