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Berlin Gothic 7: Gottmaschine (Thriller) (German Edition)

Titel: Berlin Gothic 7: Gottmaschine (Thriller) (German Edition)
Autoren: Jonas Winner
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haben.
    Nein, ihr fehle eigentlich nichts, hat sie auf seine Nachfrage geantwortet, und Till hat gesehen, wie sie sich gefreut hat, ihn bei sich zu haben. Sie habe sich nur ein wenig müde gefühlt und deshalb ins Bett gelegt.
    Er hat sich zu ihr auf die Bettkante gesetzt und erst langsam, dann immer hastiger davon berichtet, wo er gerade herkommt.
    Wie das sein kann, dass Brakenfelde so nah beim Haus von Felix von Quitzow liegt. Dass nicht einmal ein Zaun die beiden Grundstücke voneinander abgrenzt.
    Lange schaut sie ihn von ihrem Kissen aus an, und vielleicht zum ersten Mal fällt Till auf, wie ähnlich sich Julia und ihre Tochter Lisa eigentlich sehen.
    „Er wollte, dass du stark wirst, Junge, stark und mit eiserner Durchsetzungskraft, damit du einmal zuende bringen kannst, was er und Xaver begonnen hatten. Er hatte kein Vertrauen in Max. Er hielt ihn für labil, für unkonzentriert und verdreht. Er meinte, dass du das Vorhaben übernehmen solltest, wenn Max dazu zu schwach sein würde.“
    Till starrt sie an. Und wenn er genau hinsieht, kann er auch erkennen, dass Julia die Frau ist, die sich damals nach dem Unfall über ihn gebeugt hat - nach dem Unfall auf dem Alexanderplatz, als er vor ihren Wagen gelaufen ist.
    „Ich sollte dich nicht aus den Augen lassen, Till. Nach dem Tod deines Bruders hat er alles dafür getan, dass immer jemand auf dich aufpasst. Er wollte nicht, dass dir etwas zustößt. Auch nachdem du aus Brakenfelde geflohen bist, warst du nie wirklich allein. Als du mir plötzlich vor den Wagen gesprungen bist … damals auf dem Alexanderplatz, erinnerst du dich? Ich konnte nicht mehr schnell genug bremsen. Ich sollte dich im Auge behalten - anfahren natürlich nicht. Ich habe einen furchtbaren Schrecken bekommen und war unendlich erleichtert, als Trimborn festgestellt hat, dass dir nichts passiert ist.“
    Während Till ihren Worten lauscht, ist es ihm beinahe, als würde sein ganzes Leben, seine Persönlichkeit, seine bisherige Existenz zerplatzen wie ein filigranes Traumgebilde, das beim Herauftauchen aus dem Schlaf zerstäubt. Als würde derjenige, für den er sich immer gehalten hat, umgekrempelt werden wie ein Handschuh, dessen Inneres man nach außen stülpt.
    „Warum hast du mir denn nie … “, seine Stimme ist belegt, und doch wendet er den Blick nicht von ihrem Gesicht ab, das er in all den Jahren so lieb gewonnen hat, „ … warum hast du mir denn nie etwas darüber gesagt, Julia - wie konntest du das vor mir verschweigen?“
    Er sieht, wie es sie aufwühlt, darüber zu sprechen. „Du warst ein prächtiger, gesunder Junge, Till.“ Ihr Blick ist weich und sie hat seine Hand genommen. „Ich hatte das Gefühl … ich weiß nicht. Max war unglücklich, zerquält, zerfurcht, zermartert, ständig habe ich mir über ihn Sorgen gemacht. Aber du? Du hattest etwas Unbeschwertes, Glückliches an dir … und ich wusste nicht … ich wusste nicht, ob ich das nicht zerstören würde, wenn ich dir sagte, wer dein Vater ist.“
    Felix.
    Felix von Quitzow ist sein Vater. Felix hat ihn und seinen Bruder Armin nach Brakenfelde gegeben, damit sie im Kinderheim aufwachsen. Um sie abzuhärten, um sie der Aufgabe gewachsen zu machen, die Felix für seine Söhne ins Auge gefasst hatte. Sie sollten einmal das Vorhaben fortführen, das er schon damals im Kopf gehabt hatte. Das fiktive Universum fortsetzen - gerade so, wie Felix es vorhin mit Till besprochen hat. Natürlich wusste Felix auch damals schon, dass die Maschine, die ihm vorschwebte, ihren Zweck erst erfüllen können würde, wenn viele kommende Generationen daran gearbeitet haben würden. Aber Felix war auch klar, dass seine Maschine ihr Ziel überhaupt jemals nur erreichen konnte, wenn in jeder einzelnen zukünftigen Generation alles richtig gemacht werden würde. Wenn in jeder einzelnen Generation alle Arbeiten an der Maschine in genau die richtige Richtung gehen würden. Wenn jeder neue Baustein des fiktiven Universums die Sucht der Menschen nur noch steigern würde, bis schließlich alle dem Sog verfielen. Dafür, dass seine Nachfolger dies hinbekämen, hatte Felix sorgen wollen, indem er Till und Armin nach Brakenfelde geschickt hat - wo sie abgehärtet werden sollten, wo ihr Geist geschliffen werden sollte, anstatt im Überfluss weich zu werden.
    Armin jedoch hat das nicht überlebt.


     
    Till sieht Felix‘ Gesicht so nah vor sich, wie er es noch nie vor sich gesehen hat. Es ist eine Nähe, bei der ihm übel wird, eine Nähe, dass
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