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Berlin Gothic 7: Gottmaschine (Thriller) (German Edition)

Titel: Berlin Gothic 7: Gottmaschine (Thriller) (German Edition)
Autoren: Jonas Winner
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sich in das Auto, die Tür wird hinter ihr durch die Fliehkraft ins Schloss geschleudert - und vor ihnen öffnet sich die Piste zu einem Krater. Lisa fühlt, wie sich Bettys Hände von hinten in ihre Schultern graben, sie wird zur Seite gerissen, als Felix das Steuer herumreißt, in den Sitz gepresst, als er beschleunigt, sieht wie der Pfeiler der Einfahrt auf sie zurast, hört es splittern, als sie den Pfosten streifen - und presst ihre Hände ins Armaturenbrett, um durch die abrupten Bewegungen des Fahrzeugs nicht aus dem Sitz geschleudert zu werden.


     
    Es ist alles noch da.
    Der Seitenflügel, der sich halbkreisförmig um den Innenhof zieht und in dem die Schlafsäle zu ebener Erde liegen. Der Essraum mit dem Kreuz an der Wand und den Bänken, die am Boden festgeschraubt sind. Die Geräte auf dem Spielplatz zwischen den hochstämmigen Nadelbäumen, die Kienäpfel auf dem Sandboden, das ausgeblichene und zum Teil zerborstene Plastikspielzeug neben den Holzbrettern, mit denen der Buddelkasten eingefasst ist.
    Brakenfelde.
    Verlassen.
    Zwölf Jahre lang ist Till nicht mehr hier gewesen - seit jenem späten Nachmittag, als er einfach immer weiter gerannt ist, durch das Gatter hindurch in den umgebenden Wald, immer weiter durch das Unterholz, immer schneller, bevor Dirk ihn einholen konnte, Dirk, dem er vergeblich zu erklären versucht hatte, dass es Armin nicht gut gehen würde.
    Brakenfelde.
    Das Heim, in dem er davor gelebt hatte, solange er denken konnte, in dem er die vielleicht unglücklichste Zeit seiner Kindheit verbracht hat.
    Brakenfelde, in dem sich sein Bruder Armin in seinem Zimmer an der Türklinke erhängt hat.
    Till ist den Waldweg an dem Friedhof vorbeigerannt, auf dem Armin begraben liegt - und plötzlich hat er die Gegend wiedererkannt. Die Lichtungen und Wege und Bodensenken zwischen den Bäumen, die er schon als Kind hinaufgerannt ist, die Sandkuhlen und Hohlwege, in denen er mit Armin und seinen Freunden Verstecken oder Indianer oder Soldaten gespielt hat.
    Die Lichtungen und Winkel des Waldes, die sich um das Heim herum erstrecken - um das Heim herum, aus dem Till nach Armins Tod in jener verzweifelten Nacht geflohen ist.
    Brakenfelde.
    Es liegt kaum zwanzig Minuten Fußweg von Felix‘ Haus entfernt. Es sind praktisch Nachbargrundstücke! Das Kinderheim, in dem Till aufgewachsen ist, bevor die Bentheims ihn aufgenommen haben - und Felix von Quitzows Haus, der alles daran gesetzt hat, um in den Besitz der Schriften von Xaver Bentheim zu kommen.
    Ist das nicht seltsam?


     
    „Ich habe dich so lange nicht richtig angeschaut, Till, komm doch mal her, hier ans Licht … ja - genau.“
    Es ist nicht weit gewesen. Was ihm als Junge wie eine Weltreise vorgekommen wäre, hat keine zwei Stunden gedauert. Zwei Stunden Marsch durch die bewaldete, hügelige Sandlandschaft am südlichen Stadtrand Berlins. Zwei Stunden von Brakenfelde bis zum Haus der Bentheims.
    Die Sackgasse, die Veranda mit den mächtigen Säulen, die Freitreppe, die auf das Dach des Vorbaus führt. Es ist alles noch da. Nicht ganz so frisch angemalt wie damals, nicht mehr so gut gepflegt, dafür aber umso verwunschener. Mit Bäumen, die noch älter, Sträuchern und Hecken, die noch dichter geworden sind und den Blick in den Garten des Hauses noch weniger durchlassen.
    Als Till an der Villa angekommen ist, ist die Haustür verschlossen gewesen und niemand hat auf sein Klingeln geöffnet. Er ist an dem Haupthaus vorbei in den Garten gelaufen, hat die Glastür zum Wohnzimmer offen stehen gesehen und das Haus ohne weiteres betreten. Hat den flüchtigen Mischgeruch nach frischer Wäsche und Holz wahrgenommen, der sich in all den Jahren nicht geändert zu haben schien. Vom Wohnzimmer aus ist er in die Halle gegangen, hat das ganze untere Stockwerk abgesucht, aber niemanden angetroffen. Erst im oberen Stockwerk hat er sie dann entdeckt. Julia Bentheim. Die Mutter von Max und Lisa hat in dem gleichen Schlafzimmer gelegen, in dem auch früher schon ihr großes Doppelbett gestanden hat, das sie sich damals jedoch, als Till hier gewohnt hat, noch mit Xaver geteilt hat.
    „Er hat es so gewollt, Till. Er meinte, dass es gut für dich wäre“, hört Till sie sagen und er spürt, wie Julias Blick sein Gesicht überwacht, um zu sehen, wie er diese Nachricht aufnimmt.
    Grauhaarig und ein wenig zusammengeschnurrt liegt sie vor ihm, obwohl sie noch gar nicht so alt ist. Der Verlust des Sohnes scheint die Lebenslust aus Julia herausgerissen zu
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