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Berlin Fidschitown (German Edition)

Berlin Fidschitown (German Edition)

Titel: Berlin Fidschitown (German Edition)
Autoren: D B Blettenberg
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Ein Eisverkäufer bimmelte in das geschäftige Summen. Eine junge Frau bot den Vorbeiziehenden grüne und reife Mangos an. Der Dürre mit den rotblonden Haaren blieb vor einem Bettler stehen, der auf dem Boden hockte. Der Mann hatte beide Beine amputiert und spielte Flöte um ein Almosen. Rojana wartete ab. Eine kahl geschorene Nonne in weißer Robe trippelte vorbei, während der Dürre immer noch lauschte, als habe die Melodie des Bettlers ihn verzaubert.
    „Gib ihm schon was, und beweg dich“, knurrte Rojana. Er trat in den Schatten einer Markise und sah zu, wie sich der Kanadier mit geschlossenen Augen langsam zum Klang der Musik wiegte und selig lächelte. Der Krüppel setzte das Instrument ab, und für einen Augenblick schien es, als bewege er die Lippen. Dann schob er das Mundstück erneut zwischen die Zähne und spielte weiter. Rojana konzentrierte sich wieder auf den Kanadier und dachte: Hoffentlich fängt er nicht noch an zu tanzen.
    Als wolle er der Bitte Folge leisten, spendete Wayday eine Münze und setzte seinen Weg fort. Er passierte einen Laden für Geschenkschleifen und Wachspapierblumen und weitere Läden, die sich auf Knöpfe, Keramik, Porzellan, Hüfthalter und Fußmatten spezialisiert hatten. Rojana stieg der Duft von Essen in die Nase. Hungrig musterte er Früchte, Fleisch und Nudeln. Einfach köstlich! Das Wasser lief ihm im Mund zusammen. Er schluckte und sah gebannt zu, wie eine Matrone kleine Portionen Klebereis auf Bananenblätter verteilte. Es war die reinste Folter. Trotzdem gelang es ihm irgendwie weiterzulaufen und den Blick wieder geradeaus zu richten. Er spürte, wie ihm das Hemd am Körper klebte. Und zu allem Überfluss wurde nur wenige Meter weiter Nachtisch in Form von zuckerschweren Süßigkeiten und bunten Plätzchen angeboten. Er stöhnte und wischte sich den Schweiß von der Stirn, sehnte sich nach klimatisierten Räumen und gepflegten Speisen. Vielleicht doch auf die Schnelle eine winzig kleine Delikatesse? Er riss sich zusammen.
    Fuck Roger Wayday!
    Diszipliniert schleppte er sich weiter. Nur Sekunden später wurde ihm klar, dass er den Kanadier aus den Augen verloren hatte.

4
    „Wo ist der Penner denn jetzt abgeblieben?“
    Der Zugabfertiger schob seine Schirmmütze ins Genick, schaute zum Ende des Bahnsteigs und dann weiter über die schneebedeckte Trasse der S-Bahn bis zu der dunklen Tunnelöffnung, von der aus die Strecke weiter unter der Erde verlief. „Eben war er noch da. Der Typ hängt in letzter Zeit häufiger da draußen, am äußersten Ende, rum. Ganz alleine. Ich habe Angst, er fällt mal auf die Gleise und kommt nicht mehr rechtzeitig vor dem nächsten Zug vom Schotter hoch.“
    „Wenn er nicht vorher vom Starkstrom pulverisiert wird“, brummte einer der beiden Männer vom Sicherheitsdienst und kraulte seinem Rottweiler das Ohr.
    Der Zugabfertiger zuckte mit der Schulter. „Tut mir leid Leute. Fehlalarm. Der Heini hat sich einfach in Luft aufgelöst.“
    „Ich denke eher, der fährt inzwischen schwarz und wärmt sich auf“, sagte der Hundeführer.
    „Wenn der eingestiegen wäre, hätte ich es mitgekriegt“, beharrte der Zugabfertiger auf seinen Überblick. „Die rosa Ohrwärmer sind nun wirklich nicht zu übersehen.“

5
    Der Dürre hatte sich in Luft aufgelöst.
    Rojana war wütend auf sich selbst. Das kam davon, wenn man mit leerem Magen arbeitete. Er musterte die Stelle, etwa dreißig Meter voraus, an der er den Kanadier zum letzten Mal gesehen hatte. Aber die Häuser, Läden und Menschen der Soi Wanit lieferten ihm keinerlei Hinweis, wo er hätte suchen sollen. Frustriert steuerte er den Stand mit den Süßigkeiten an und kaufte sich was zum Knabbern. Er naschte und lauschte dem entfernten Flötenspiel des Bettlers. Die Melodie hielt sich hartnäckig im Ohr – als wolle sie ihm etwas sagen. Der steigende Blutzuckerspiegel tat das Seine dazu. Im Slalom hastete er zurück, vorbei an Passanten und Motorradfahrern, bis er vor dem Mann mit den amputierten Beinen stand. Fahrig nestelte er drei Hundert-Baht-Scheine aus der Hemdtasche und hielt dem Bettler das Geld hin.
    Überrascht setzte der Mann die Flöte ab. Er starrte erst das Geld und dann den Riesen an, der es ihm offerierte.
    „Das kannst du dir verdienen.“
    „Was soll ich spielen?“
    „Das Konzert kannst du dir sparen. Vor etwa zehn Minuten hattest du einen Zuhörer. War wohl ein Fan von dir. Er konnte gar nicht genug von deinen Weisen bekommen, war richtiggehend entzückt
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