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Berlin Fidschitown (German Edition)

Berlin Fidschitown (German Edition)

Titel: Berlin Fidschitown (German Edition)
Autoren: D B Blettenberg
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lernen uns bei der Gelegenheit ein wenig besser kennen.“
    Der kleine Mittagsimbiss, der ihm in Aussicht gestellt wurde, lockte Rojana mehr als mögliche Informationen. Mit hungrigem Magen war schlecht arbeiten. Er erhob sich und nickte.
    Yang deutete zur Tür. „Ich wusste, wir verstehen uns.“
    Bevor der Reporter das Zimmer verließ, musterte er Armani-Richy noch einmal, um ihn an die offene Rechnung zu erinnern. Dann sah er Wayday in die Augen, schüttelte den Kopf und sagte: „Roger, Roger ... Ich bin enttäuscht. Dachte wirklich, du schiebst hier eine ganz große Nummer.“

6
    Mollen-Rudi schwebte wie ein Schlafwandler die Trasse entlang.
    Eingehüllt in seinen abgewetzten Armeemantel und eine dichte Alkoholfahne strebte er vorwärts, jenem süchtigmachenden Duft entgegen, der ihn Monate zuvor zum ersten Mal zur Futterkrippe gelotst hatte. Die Fidschis hatten ihn zwar eine – ihm endlos erscheinende – Weile lang gemustert, als er damals überraschend und unerwartet in ihrer Küchenrunde aufgetaucht war, hatten ihn aus schmalen Augen wie einen möglichen Todeskandidaten abgeschätzt, dann jedoch auf seine Hinrichtung verzichtet und eine Schüssel Nudelsuppe für ihn abgezweigt, wie einen Knochen, den man einem streunenden Köter überlässt. Seitdem war er immer wieder zurückgekommen, um seine Brühe zu löffeln und dabei dem seltsamen Gezwitscher zu lauschen, in dem sich die Asiaten unterhielten. Bislang war es ihm nicht gelungen, sich auch nur einen Brocken der fremden Sprache anzueignen. Dafür war er inzwischen ein überzeugter Anhänger der vietnamesischen Küche.
    Rudi kam für einen Moment ins Stolpern, fing sich und hastete weiter.
    Currywurst und Asyleintopf waren nur noch zweite Wahl für ihn. Er fühlte sich zunehmend wohler im Kreis der kleinen Männer aus der Fremde. Im Ernstfall war sicher nicht mit ihnen zu spaßen. Manchmal hatte er die eine oder andere Waffe zu Gesicht bekommen. Trotzdem fühlte er sich nicht bedroht. Vermutlich handelten sie mit geschmuggelten Zigaretten. Die Fidschis waren gut im Geschäft. Das stand jeden Tag in der Zeitung. Doch so genau wollte er es gar nicht wissen. Obwohl – nach seinem ersten Besuch hatte er für einen Augenblick daran gedacht, die Männer zu verpfeifen. Aber was brachte das? Er hatte schon genug Probleme. Außerdem hatte er selber hier unten auch nichts mehr zu suchen. Gut, ab und zu spielte er noch mit dem Gedanken, die Truppe um ein paar Stangen zu erpressen – aber das war ihm dann doch zu gefährlich. Regelmäßig warmes Essen war nicht zu verachten, und von seinem Schnaps wollten die Gastgeber auch nichts abhaben. Sein Magen knurrte, und das Vibrieren in der Bauchdecke trieb ihn weiter vorwärts.
    Er erreichte die Schienengabelung. Ein hell erleuchteter Zug ratterte heran, vorbei und davon, während er nach links abbog und die nur selten genutzte Betriebsstrecke entlanglief, an der auch das blinde Tunnelstück lag, in dem seine Fidschis Quartier bezogen hatten. Er kannte sich gut hier unten aus. Was hieß gut? Hervorragend! Schließlich war Rudi Koslowski in seinen besten Zeiten einer der herausragenden Streckenläufer der Berliner Verkehrsbetriebe gewesen. Offiziell und mit orange leuchtender Signalweste. Heutzutage schlich er in gedecktem Grau aus ausgemusterten Beständen der Nationalen Volksarmee durch die Unterwelt, und auch die rosa Ohrwärmer trug er nicht wegen der Sicherheitsvorschriften. Aber damals, das waren noch Zeiten gewesen!
    Bis der Suff ihm auch das vermasselt hatte. Zunächst wurde er von seinen Vorgesetzten zur Betreuung gelegentlicher Besuchergruppen abgeschoben. Journalisten, Politiker und Touristen. Dann feuerte man ihn, weil er diese Gruppe aus Bonn, darunter auch einige Bundestagsabgeordnete, in einen nicht gesicherten Waisentunnel geführt hatte. Ein übergewichtiger Politiker war dabei durch die angefaulte Stufe einer Holztreppe gebrochen und hatte sich fünf Meter tiefer auf dem Betonboden einer verlassenen Schildvortriebskammer das Wadenbein gebrochen. Er erinnert sich noch ganz genau: Er hat den Fettwanst nicht im Auge, weil er selber gerade damit beschäftigt ist, mittels dramatischer Gesten und Worte zu verdeutlichen, wie dazumal bei den Tunnelbauarbeiten die riesige Schildvortriebsmaschine in die offene Kammer hinabgelassen wurde. Er zeigt dabei auf die Fläche in der Decke, die man später wieder zubetoniert hat, und versucht, die enorme Bohrmaschine für die Nichttechniker vorstellbarer zu machen, indem
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