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Berlin Fidschitown (German Edition)

Berlin Fidschitown (German Edition)

Titel: Berlin Fidschitown (German Edition)
Autoren: D B Blettenberg
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Bunkerwand.
    Froschhand ging zu Boden. Er war benommen, rappelte sich wieder auf die Beine und verharrte mit ausgebreiteten Armen und leicht nach vorne gebeugtem Oberkörper in Angriffshaltung. Ein wehmütiger Blick streifte die Intratec, die neben dem Bett auf dem Boden lag.
    Quinn hielt ihn mit dem Revolver in Schach und kickte die Intratec außer Reichweite.
    Der Captain betrat, gefolgt von Tony, den Raum, richtete die Mündung seiner Pistole auf Froschhand und schob Quinn sanft zur Seite.
    Der Mann mit der Froschhand begegnete dem Blick des Captains mit ausdrucksloser Miene. Aus dem Biss in der verstümmelten Hand tropfte Blut auf den Boden.
    Der Captain zögerte noch einige Sekunden.
    Dann schoss er.

97
    Schon als er aus dem Zug der S-Bahnlinie 1 ausstieg, hörte Farang die vertraute Melodie des Asiatenblues, und auf dem Weg durch den Bahnhof Frohnau wurde das Klagen des einsaitigen Instruments stetig lauter.
    Der Mann, der die Dan Bau mit dem Bogen bearbeitete, hockte draußen in Dunkelheit und Kälte auf einem Campinghocker, direkt neben dem Eingang. Die Strickhandschuhe bedeckten seine Finger nur zur Hälfte, und was auch immer er als Schuhwerk trug, steckte in Einkaufstüten aus Plastik, die mit Kordel über den Hosenbeinen zuammengebunden waren. Die blauschwarz karierte Teddyjacke hing locker um seinen schmächtigen Oberkörper, und ein Filzhut mit breiter Krempe bedeckte den tief über das Instrument geneigten Kopf.
    Farang blieb stehen und las die Mitteilung auf dem Pappschild neben dem Blechteller.
    Bin obdachlos und habe AIDS .
    Einer der vorbeihastenden Passanten warf ein Markstück in den Teller, und der Bettler murmelte ein Danke, ohne sein Spiel zu unterbrechen oder aufzusehen. Schon wollte Farang weitergehen, da hob der Ban-Dau-Spieler den Kopf und sah ihn an. Er war noch jung, aber seine abgehärmten Gesichtszüge und der Hautausschlag bestätigten jedes Wort, das auf der Pappe stand. Der Tod hatte sich bereits weit vorgearbeitet und brachte die asiatischen Anteile im Antlitz des Europäers voll zur Geltung.
    „Wo kommt deine Mutter her?“, fragte Farang.
    Der Todgeweihte setzte den Bogen ab. Die Saite schwang keine Sekunde nach. Der Ton schien in der Kälte einzufrieren.
    „Hanoi ... und deine?“
    „Bangkok.“
    Der Bettler nickte, als sei damit alles gesagt.
    Farang starrte auf die einsame Mark im Blechteller. Die Insel in Südthailand lag außer Reichweite für den Kranken. Keiner der dort gestapelten Holzsärge war für einen Halbvietnamesen aus Berlin reserviert. Hastig zerrte er das prall gefüllte Kuvert aus dem Mantel, legte es auf den Teller und eilte davon. Er wollte nicht sehen, ob der Kranke angesichts der druckfrischen Scheine seine Würde behielt, ob er das Geld sofort nachzählte, ob Gier in den müden Augen aufleuchtete. Jeder Mensch hatte das Recht, sein Gesicht zu wahren.
    Er überquerte die Brücke über der Bahntrasse und ging bis auf den Zeltinger Platz, bevor er sich im Licht der Straßenlaternen orientierte. Das robuste Kirchengebäude aus roten Backsteinen lag direkt vor ihm. Der Turm war fast so breit wie hoch und mit einem schwarzen Holzkreuz bestückt. Die dunklen Balken des Portals verzierten Schnitzereien. Das konnte nur die Johanneskirche sein. Rechts dahinter musste der Edelhofdamm liegen.
    Er marschierte los.
    Der Himmel war wolkenlos, der Wind schneidend. Eine eiskalte Nacht stand bevor. Die Gegend machte einen wohlhabenden Eindruck. Viele edle Wohnhäuser zwischen vielen hohen Bäumen. Wenig Autoverkehr. Aus den Fenstern der Villen und Bungalows fiel Licht in die Gärten. Vorsichtig schlidderte er über die Eisbuckel des Kopfsteinpflasters auf den schneebedeckten Gehweg unter den Nadelbäumen, die auf dem Mittelstück zwischen den Fahrbahnen des Edelhofdamms wuchsen. Nur vereinzelt leuchteten weiße Birkenstämme im Unterholz auf.
    Am Katzensteg passierte er einen zugefrorenen Tümpel, vor dem ein Warnschild stand, das dunkle Erinnerungen in ihm wachrief.
    Betreten der Eisfläche auf eigene Gefahr!
    Selbstgeschaffene Eislöcher sichtbar markieren!
    Gartenbauamt Reinickendorf
    Er blieb stehen und starrte auf den Tümpel, bis er die Konkubine des Obersten Befehlshabers vor sich zu sehen glaubte. Sie näherte sich in unterwürfiger Haltung dem Wasserloch. Aber da war weit und breit kein festgefrorener Zweig zu sehen, kein safrangelbes Band flatterte im Wind – und dann war auch die Frau mit der roten Strickmütze wieder verschwunden. Nur eine von
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